Von Freddy Schissler|BuchenbergWas schenkt man einem Arzt , der soeben in einer Schule einen Vortrag über 'Alkohol und seine schädlichen Folgen' gehalten hat? Eine Flasche Sekt? 'Eher nicht', mutmaßt Michael Reisacher, Rektor der Volksschule Buchenberg, und entscheidet sich für einen Geschenkkorb mit Essbarem.
Dr. Oliver Götz vom Klinikum in Kempten erzählt zuvor zwei Stunden lang den Buchenberger Schülern von seinen Erfahrungen als Kinder- und Jugendarzt, von Erlebnissen mit alkoholvergifteten Buben und Mädchen, die tief unter die Haut gehen. Und doch hebt er den Zeigefinger nicht so moralisierend, dass er schon den Schluck aus einem Sektglas für verwerflich erklären würde. 'Das', glaubt Götz, 'wäre realitätsfremd.'
Dem Mediziner geht es in seinem spannenden Referat um krasse Fälle von Alkoholmissbrauch. Um harte Getränke wie Schnaps und Wodka. Oliver Götz spricht von der Realität. Alleine die Statistik berührt tief und scheint auch nicht spurlos an den Buchenberger Jugendlichen vorüber zu gehen. In den letzten 17 Jahren hat sich laut Götz die Zahl der Alkoholvergiftungen bei den Buben verdoppelt, bei Mädchen gar verdreifacht. Weshalb das so ist, weiß man nicht genau. 160 000 Kinder und Jugendliche bis 25 Jahre sind hierzulande dem Alkohol verfallen.
Soweit die nackten Zahlen, die von Jugendlichen oft mit gleichgültigem Achselzucken zur Kenntnis genommen werden. Dem setzt Götz Erlebnisse aus der Klinik entgegen. Er erzählt von einem Buben, der mit knapp 2 Promille im Klinikum eingeliefert wird, völlig unterkühlt und beschmiert mit Erbrochenem. Der aus Sicherheitsgründen im Gitterbett landet, im Delirium nach der Mama schreit und am Morgen mit Windeln am Hintern aufwacht, weil er seine Notdurft nicht mehr halten konnte. 'Kein Einzelfall, wohlgemerkt', betont Götz, und als Beweis dafür dient die Statistik.
Der Arzt am Kemptener Klinikum hat auch eine persönliche Geschichte parat. Ein Freund, erinnert er sich, sei mit der Fußball-Mannschaft Vizemeister geworden. Das sollte gefeiert werden - in diesem Fall mit einem eher feuchten als fröhlichen Hütten-Abend. Der Freund, 16 Jahre jung, wankte hinaus ins Freie um zu bieseln. Dabei verlor er das Gleichgewicht, rutschte eine Böschung hinunter, verletzte sich am Kopf und blieb dort bewusstlos liegen. Seine Abwesenheit fiel keinem der anderen betrunkenen Kollegen in der Hütte auf. Götzs Freund wurde am nächsten Morgen tot aufgefunden.
Geschichten, die die Schüler an diesem Vormittag verstummen lassen. Und, so die Hoffnung von Götz, Reisacher oder der Elternbeirats-Vorsitzenden Rita Hiemer, die Buben und Mädchen zum Nachdenken anregen. Auch an anderen Schulen in und um Kempten ist das Dr. Götz schon gelungen.