Von Bernd Buchfeld So, liebe Kindlein, weil ihr so brav wart, will ich Euch jetzt mal wieder ein Märchen erzählen. Also, es war einmal, vor vielen vielen Jahren - der Euro war noch nicht lange geboren - da schauten die Händler einer kleinen Stadt an einem kleinen Fluss vor den großen Bergen sehr, sehr traurig. Denn die Menschen hielten ihr sauer verdientes Geld lieber beisammen. Und wenn sie's ausgaben, dann drehten sie jeden Euro dreimal um. Einzig CDs, die Spottverse auf einen Mann enthielten, der 'Kanzler' genannt war und den - warum auch immer - kaum einer so recht leiden mochte, gingen weg wie die warmen Semmeln. Aber nicht genug, dass die Händler Jahr um Jahr mehr um Zulauf und Umsatz fürchteten, nein, es drohte ihnen zudem ein großes, großes Haus, in dem es - gleich um die Ecke errichtet - eines Tages alles geben sollte, tausendfach und alles unter einem Dach. Da wimmerten und klagten sie und wandten sich an eine der ihren, die sie gewählt hatten, ihre Interessen zu vertreten, ihr Heil zu fördern, den Umsatz zu mehren: 'Hilf' uns, tu' was', bedrängten sie die Hohe Frau. 'Unsere Lage ist besch äh, ziemlich bescheiden, es muss etwas geschehen'. Als rettender Engel schien den Verhärmten eine Lichtgestalt, die 'Citymanager' hieß und landauf, landab in anderen Städten, die ähnliche Sorgen plagten, wahre Wunder wirkte. 'Lass uns auch so einen Retter in der Not haben, auf dass er den Karren aus dem Dreck zieht und uns die Kassen wieder füllen hilft.' Und was glaubt ihr, Kindlein, hat sie getan, die gute Frau, die doch selbst sehr viel in ihrem Laden zu tun hatte und der von den anderen nur wenig Hilfe zuteil ward? Sie nickte gütig, tröstete ihre Schäflein und versprach, dass sehr bald etwas geschehen werde. Aber, so erklärte sie den Verzagten, müssten die bitteschön einsehen, dass sie in Sachen 'Citymanager' ihren festen Grundsatz habe, der da lautet: 'Heute tue ich nichts, morgen schon'. Da gingen die Verzweifelten getröstet von dannen und kamen tags darauf wieder.
Umsonst freilich, denn die Frau verwies sie an ihre Worte vom Vortag und hieß sie, morgen wiederzukommen. Das ging so Tag um Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr. Der kluge Mann, der die kleine Stadt am kleinen Fluss vor den großen Bergen regierte, erkannte wohl, dass da so recht nichts voranging. Ein anderer kluger Mann aus seinem Hofstaat versandte darauf hin viele viele Briefe an die Händler und bat sie inständiglich, sich doch tüchtig Mühe zu geben, auf dass er endlich Wirklichkeit werde, der Retter namens 'Citymanager'. Ja, die beiden klugen Männer boten sogar an, die Stadt werde ein kräftig' Scherflein dazu beitragen, den Wundermann gebührend zu entlohnen, damit nicht die geplagten Händler diese Last allein zu stemmen hätten. Aber zu ihnen hin gehen, gut auf sie einreden oder die Verstockten einmal so recht am Ohr ziehen, dass taten die beiden klugen Männer nicht. Leider, leider Und so kam es denn, dass alle Pläne, alle schönen Ideen so lange auf die lange Bank geschoben wurden, bis sie dort verschimmelten und ganz unansehnlich und nicht mehr zu gebrauchen waren. Was meint ihr, ob sie wohl gedacht haben, ein Wunder geschieht und es wird von alleine alles wieder gut? Wer weiß, wer weiß. Jedenfalls war es eines Tages sowieso zu spät. Denn dann war das große, große Haus fertig und neue, schrecklich mächtige Händler mit noch schrecklich mächtigeren Händlern im Rücken zogen dort ein, feierten lustige Feste mit den Kunden, ein Spektakel jagte das andere - und noch dazu gab's dort Parkplätze zuhauf. Kein Wunder, dass die Leute in Scharen kamen. Da schauten sie ziemlich schnell noch viel viel trauriger als vorher, jene Händler in der kleinen Stadt am kleinen Fluss vor den großen Bergen. Und wenn sie sich nicht ändern tun, dann schau'n sie so noch heute