Von Hans-Christian Rudolf Oberstdorf - 'Bei dem schönen Schnee mit der Sommerrodelbahn fahren? Da kann ich ja gleich mit Rollschuhen auf einem gefrorenen See rumgurken.' So mancher Besucher der neuen Rodelbahn am Söllereck zwischen Oberstdorf und Kleinwalsertal macht erstmal große Augen, weil dort die Schlittenfahrer nicht auf der Piste oder einem präparierten Bergweg talwärts sausen, sondern auf Schienen. Und deshalb mag Peter Müller, Vorsitzender der Kur- und Verkehrsbetriebe AG in Oberstdorf, den Begriff 'Sommerrodelbahn' für die im vergangenen Oktober eröffnete Anlage überhaupt nicht: 'Das ist eine Ganzjahres-Rodelbahn.'Ein älterer Herr mit Hut und Cordhosen steigt in einen der schweren Plastikschlitten mit den hohen Rückenlehnen und Gummi-Stoßdämpfern. Mit einem Auto-Gurt schnallt er sich an. 'Kann man damit überhaupt bremsen?', fragt er und guckt sich die beiden Hebel rechts und links von seinen Knien ganz genau an. Peter Fischer, der den Fahrgästen beim Einsteigen hilft, erklärt: 'Hebel vor heißt: Gas geben. Hebel zurück: bremsen. Aber eigentlich brauchen sie das gar nicht.' Und schon rattert der Schlitten auf zwei Schienen ins Tal.'Der Rodel kann die Schienen nicht verlassen', erklärt Peter Müller. 'Und deshalb kann unsere Bahn auch im Winter fahren.' Bei den üblichen Sommerrodelbahnen sei der Winterbetrieb dagegen nicht möglich. Denn dort kurven die Schlitten freilaufend in lang gezogenen Wannen ins Tal. Eine große Plastikhaube schützt den wagemutigen Piloten vor Schnee und Wind. Doch auch wenn Finger und Zehenspitzen schnell klamm sind: Die bis zu 40 Stundenkilometer schnelle Fahrt hat nicht viel mit dem 'normalen' Winterrodeln zu tun.
'Das ganze ist eher wie eine kleine Achterbahn', beschreibt Margarethe Koldeweyh aus der Nähe von Bremen nach der 850 Meter langen Fahrt. 'Das ist ganz klar ein anderes Fahrgefühl als beim Schneerodeln', sagt auch der Bahnchef selber. Müller: 'Man kann nicht lenken, sitzt dafür aber komfortabler und ist mindestens genauso schnell.' Und so haben laut Müller bis zu diesem Wochenende schon fast 50 000 Gäste bis 79 Jahre 'die Ergänzung zum normalen Rodeln' ausprobiert - die allermeisten davon aber noch im Herbst, als kein Schnee lag. Sausen die Schlitten am Anfang noch knapp oberhalb des Schnees den Hang hinunter, ragen die Stelzen der Söllereck-Rodelbahn weiter unten bis fünf Meter hoch über den Boden hinaus - ganz schön futuristisch sieht das aus. Leichte Wellen in den Schienen sorgen bei entsprechendem Tempo für ein flaues Gefühl im Magen. Und sobald die Rodler die Bundesstraße von Oberstdorf ins Kleinwalsertal auf einer Brücke überquert haben, heißt es, sich in einem engen Kreisel voll in die Kurve zu lehnen. So manch begeisterter Kreischer ist dort zu hören. Und weil die Fangnetze rechts und links der Schienenstrecke wie eine halbe Röhre gebogen sind, fühlt man sich ein bisschen wie der Rodler Georg Hackl, der einen Eiskanal hinunterrast. Anschließend werden die Fahrgäste im Schlitten sitzend wieder nach oben gezogen.'Das ist die Bahn für ältere Leute', sagt der 66-jährige Johann Kaldeweyh nach der Fahrt: 'Mit einem normalen Schlitten würde ich nicht mehr fahren. Aber hier kann man sich die Geschwindigkeit einteilen und es macht trotzdem Spaß.' Aber auch die Jungen sind begeistert. 'Affengeil. Ich hab sofort Vollgas gegeben', verkündet zum Beispiel Dennis Rottmann (18) aus Borken. Dem elfjährigen Philipp aus Fischen macht das Schienen-Sausen sogar noch mehr Spaß als das normale Rodeln, 'weil man richtig Gas geben kann.' Und Laura (10) aus dem Hunsrück findet es toll, dass man zu zweit fahren kann. Dann geht es nämlich noch schneller.