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Auf Gams-Spuren zum Gipfel

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Auf Gams-Spuren zum Gipfel

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    Auf Gams-Spuren zum Gipfel
    Auf Gams-Spuren zum Gipfel Foto: beckmann

    Von Stefan Heiligensetzer|AllgäuAls Urban und Alois, die beiden ältesten Sprösse der Jochums aus Birgsau (Oberstdorf), an diesem Abend nach Hause kamen, hatte sich ihnen ein abenteuerliches Bild eingeprägt. Eine verirrte Gams in den Felsen der Trettach. Fast ganz oben auf dem Gipfel war sie gewesen. Sie konnten es kaum glauben, denn bis zu diesem Tag hatten sich die beiden nicht vorstellen können, dass da oben außer Vögeln je ein Lebewesen den Fuß auf den Boden gesetzt hat. Aber wo ein Gams hin kann, da kann auch ein Mensch hin, so der Schluss der beiden Brüder.

    Am nächsten Tag waren sie wieder unterwegs, gemeinsam mit ihrem kleinen Bruder Mathias, gerade mal dreizehn Jahre alt. Voll Tatendrang stiegen sie der Trettach entgegen und auf den Nordostgrat, dort wo auch die Gams gewesen war. Immer höher stiegen sie über den ausgesetzten Grat. Den letzten Überhang umgingen sie auf der Nordseite und standen einige Stunden später auf dem Gipfel.

    Am Abend mochte im Tal zuerst niemand die Geschichte glauben. Aber die drei erzählten so überzeugend, dass am Ende kein Zweifel mehr bestand, dass die drei oben gestanden hatten. Dass sie dabei ein wenig Alpingeschichte geschrieben hatten, war den Brüdern zu diesem Zeitpunkt gewiss nicht bewusst.

    So vollzog sich der Überlieferung nach im August 1855 die erste Begehung der Trettach auf dem schwierigsten Normalweg des Allgäuer Hauptkamms. Die meisten Erstbesteigungen der Allgäuer Berge verliefen jedoch wesentlich unspektakulärer. Hirten oder Jäger werden wohl die meisten Gipfel als erste betreten haben, auf der Suche nach verirrtem Vieh oder einem Gamsbock waren die letzten Schritte auf den höchsten Punkt meist nicht mehr weit. So ist oft nicht nachvollziehbar, wer denn nun wirklich als erstes oben stand.

    Am Hochvogel soll es schon sehr früh, im Jahre 1767, gewesen sein, dass ein Hirtenknabe den eindrucksvollen Berg bestieg. Ungeachtet dessen reklamierte 1834 der Hirte der Stierbachalpe die Besteigung, wogegen umgehend der Jäger Leo Dorn protestierte. Wo Hirten hinkämen, seien Jäger schon lange vorher gewesen, war sein stechendes Argument. Er wisse bestimmt, dass sein Vater schon als lediger Bursch den Gipfel bestiegen habe. Ein Kampf der Eitelkeiten schon damals zwischen einfachen Hirten und Jägern.

    So ist davon auszugehen, dass die meisten Allgäuer Gipfel schon bestiegen waren, bevor die ersten dokumentierten 'touristischen Erstbesteigungen' stattgefunden hatten. Eine solche dokumentierte Besteigungen ist die des Hochvogels durch den Kemptener Apotheker Trobitius im Jahre 1832. Die Mädelegabel erstieg im Jahre 1811 Dr. Bernhard Zoel, die Höfats 1848 Professor Oskar Sendtner, den Großen Krottenkopf 1854 Dr. Gümpel, der auch Öfner- und Krottenspitz erstbestieg. Eine der frühesten Besteigungen weiß aber ein Kirchenmann für sich zu verbuchen: Pfarrer Peter Bickel aus Schröcken stieg auf den Widderstein, am 25. Juli 1669.

    Fast alle Allgäuer Gipfel wurden aber im Zuge der Vermessungsarbeiten und Kartographierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betreten. Von ebenso unbekannten Vermessungsleuten, wie den unbekannten Hirten und Jägern vor ihnen. Unspektakulär eben. Um so schöner ist es, dass es die Geschichte von Urban, Alois und Mathias gibt. Ungewollt frühe Vertreter des 'verschärften Alpinismus' im Allgäu, der seine Fortsetzung mit Josef Enzensperger (Erstbegehung der Höfats Südostwand), Karl und Ernst Neumann (Erstbegehung der Trettach Südwand gemeinsam mit Enzensperger) oder auch der winterlichen Erstbegehung des Nebelhorns durch Heimhuber und Madlehner, fand.

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