Von Barbara Bestle, Kaufbeuren - 'Das war viel mehr als nur Tanz - das war schon eine Revolution', erinnert sich Siegfried Effenberger aus Neugablonz an die Anfangszeit des Rock 'n' Roll. Der mitreißende Musik- und Tanzstil, der vor 50 Jahren mit dem Bill-Hayley-Hit 'Rock Around The Clock' startete , hob die Musikwelt aus den Angeln, veränderte die Gesellschaft, schlug auch in Kaufbeuren ein und begeisterte den damals 17-Jährigen, der sich auch heute noch als 'alter Rock 'n' Roller' fühlt. Wer ihn und seine Ehefrau Alwera im Jubiläumsjahr rocken und rollen sieht, glaubt das aufs Wort. Eigentlich sei er seinerzeit schon fast ein 'Spätzünder' in Sachen Rock 'n' Roll gewesen, erinnert sich der agile 65-Jährige. 'Meine Kumpels tanzten das damals schon fast alle und haben mich schließlich überredet, mit in den Club zu kommen.' Der Club, das waren 30 bis 40 sport- und tanzbegeisterte junge Leute, die sich regelmäßig trafen und Tanzschritte und Figuren einstudierten. Von standardisiertem Unterricht, so Siegfried Effenberger, konnte damals noch keine Rede sein: 'Da kamen ein paar Leute aus München und haben uns gezeigt, wie es geht.'
Die Kaufbeurer lernten schnell Die jungen Kaufbeurer lernten schnell und wagten sich auch an schwierige Schritt-Kombinationen und Überwürfe. 'Wir haben getanzt wie die Weltmeister', lacht Siegfried Effenberger, der damals bei Turnieren im Stadtgebiet auch den einen oder anderen Preis gewonnen hat. Seine Ehefrau Alwera, die er vor 44 Jahren beim Tanzen kennen lernte, teilte seine Begeisterung für den Rock 'n' Roll und war mit ihm unermüdlich in den Kaufbeurer Tanzlokalen unterwegs, vor allem im 'Stachus' und im Ringkeller.' 'Wir haben jeden Abend getanzt, außer montags - da war zu', erzählt Alwera Effenberger. Und weil die Kavaliere damals noch keine Autos hatten, folgte dem Tanzvergnügen ein langer Heimweg auf Stöckelschuhen - 'auch bei minus zehn Grad bis nach Neugablonz'. Die jungen Männer brachten ihre Tanzpartnerinnen nach Hause und traten dann brav den Rückweg an. Rock'n' Roll, das sei nicht nur ein mitreißender Musik- und Tanzstil gewesen, sondern eine Lebenseinstellung, sind sich Effenbergers einig. Das neue Lebensgefühl äußerte sich auch in der Kleidung, Jeans und Petticoats waren damals die Renner. Die ältere Generation reagierte nicht immer begeistert. 'Da hieß es dann schon mal: 'Das sind die Halbstarken', erinnert sich Siegfried Effenberger. Seine eigenen Eltern hätten zum Rock 'n' Roll zwar zunächst gemeint 'Ihr spinnt's ja', seien aber grundsätzlich aufgeschlossen und liberal gewesen. So ist es kein Wunder, dass auch der 65-Jährige und seine Frau viel Verständnis für die jungen Leute von heute haben, die ebenfalls neue Wege in Sachen Musik und Kleidung gehen und so nach einer eigenen Identität suchen. 'Das ist genau so wie damals bei uns. Man will etwas Eigenes machen und anders sein als die anderen.' Bei den Effenbergers hat sich die Begeisterung für den Rock-'n'-Roll durch die vergangenen fünf Jahrzehnte erhalten. So war ihr erster offizieller Tanzkurs denn auch ein Rock-'n'-Roll- Kurs, den sie in der Tanzschule Grill bei den Eltern des heutigen Chefs absolvierten. Zwar entdeckten sie dann auch rasch ihre Liebe zu Standardtänzen und lateinamerikanische Rhythmen und pflegen ihr Hobby bis heute im wöchentlichen Tanzkreis. Bei einem Rock 'n' Roll-Klassiker wie Elvis Presleys 'Don't Be Cruel' legt das Ehepaar aber auch jetzt noch so temperamentvoll und gekonnt los, dass wesentlich jüngere Tänzerinnen und Tänzer aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen.