Nassenbeuren | un | In den vergangenen Tagen hat ein Zweiteiler im ZDF an ein tragisches Ereignis in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges erinnert. Die 'Wilhelm Gustloff', als Kreuzfahrtschiff für linientreue Werktätige gebaut, wurde am 30. Januar 1945 mit rund 10 000 Menschen an Bord in der Ostsee von einem sowjetischen U-Boot versenkt. Nur etwa jeder Zehnte überlebte diese Katastrophe, darunter Hermann Ried aus Nassenbeuren. Der Bäckermeister, der 1991 im Alter von 69 Jahren gestorben ist, hatte derMZeinst von seinen Erlebnissen berichtet, an die hier noch einmal erinnert werden soll.
Hermann Ried, in Nassenbeuren aufgewachsen, kam als junger Soldat zur Kriegsmarine und war in Gotenhafen als Unteroffiziers-Ausbilder für die U-Boot-Waffe tätig. Die Wilhelm Gustloff, zur damaligen Zeit ein Paradeschiff, diente als Unterkunft für zwölf Kompanien. Zuvor war es als Urlauberschiff bei den Kraft-durch-Freude-Reisen eingesetzt.
'Das Schiff war total überladen'
Als in den Januartagen 1945 immer mehr Flüchtlinge in die 240 000-Einwohner-Stadt Gotenhafen strömten, wurde das Schiff für den Flüchtlingstransport freigegeben. Am 30. Januar 1945 stach das Schiff gegen 18 Uhr in See. Es war laut Ried total überladen und hatte rund 10 000 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, an Bord. Außerdem fuhren auch Verwundete mit. Den Schutz des Schiffes sollten das Begleitboot 'Löwe' und der Zerstörer 'TZ 36' übernehmen.
In der Nacht sank das Thermometer auf minus 18 Grad, die See zeigte sich rau und unbarmherzig. Ried: 'Jeder Winkel des Schiffes war mit Flüchtlingen besetzt. Wir waren froh, der Stadt mit ihren rund 120 000 Flüchtlingen entronnen zu sein.' Doch die Freude war trügerisch. Als das Schiff in Höhe von Stolpmünde rund zwölf Seemeilen vom Land entfernt war, gab der Kommandant des russischen U-Bootes 'S 13' Feuerbefehl. Um 21.15 Uhr war Hermann Ried gerade achtern im C-Deck, als das Schiff wie von einer Riesenhand drei Mal durchgeschüttelt wurde. Das Licht fiel aus, die Hauptmaschine wurde getroffen. Das Schiff bekam sofort Schlagseite.
Und dann begann ein verzweifelter Kampf ums nackte Überleben. 'Posten haben versucht, die wenigen Boote, die obendrein noch zugefroren waren, mit scharfen Waffen für Frauen und Kinder freizuhalten', so Ried.
Die Flüchtlinge in den unteren Rängen erwischt es als Erste, denn die Torpedos rissen riesige Löcher in den Rumpf der Gustloff.
Panik machte sich breit. Die Menschen versuchten, nach oben zu kommen oder die Scheiben zu zertrümmern, was misslang. 'Ich war ein Jahr lang auf dem Schiff und kannte daher jeden Winkel. Das war meine Rettung', erinnerte sich Hermann Ried. Der Schwabe suchte zielstrebig seinen Weg aus dem Unterdeck und gelangte bald ins Freie. Doch das Schiff sank. Dennoch harrte er noch gut eine halbe Stunde aus. Als an Backbord das Wasser ins Innere strömte, sagten sich die Kameraden 'Lebewohl!'
Hermann Ried, der ein guter Schwimmer war, sprang samt Uniform in das eiskalte Wasser - und wurde abgetrieben. Nach einer Viertelstunde erwischte er ein Stück Holz, an dem er sich festhielt.
Ein stählerner Sarg für Tausende
Und dann hatte Hermann Ried nochmals Glück: Zwei Zerstörer und das Begleitschiff Löwe kamen eine Stunde später an den Ort des Geschehens. Für viele viel zu spät. Aus den Booten wurden meist nur noch Leichen geborgen. Die Wilhelm Gustloff war wenige Minuten zuvor als stählerner Sarg für Tausende gesunken.
Die Besatzung eines Zerstörers holte Hermann Ried schließlich aus den Fluten. Es dauerte eine Weile, bis er kapierte, was sich zugetragen hatte. Er war einer von rund 1000 Überlebenden. Zeitlebens hatte er aber an der Last zu tragen. Gesundheitlich trug er ein schweres Asthma-Leiden davon.
Außerdem holte ihn das Erlebte immer wieder ein.