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Arme und Beine sind bleischwer

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Arme und Beine sind bleischwer

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    Entspannung mit Autogenem Training ­ Teil 2 unserer Serie zum Thema Meditation. Von Markus Bär Kaufbeuren Was mache ich hier eigentlich? Ich liege wie 15 andere Kursteilnehmer in einem großen Raum auf einer Schaumstoffmatte und habe, wie angeordnet, meine Schuhe ausgezogen. Mein Rücken bildet im Liegen ein nicht unbedingt bequemes Hohlkreuz und außerdem schnauft neben mir jemand ­ nicht besonders laut oder auffällig ­ aber angesichts der Stille doch irgendwie störend. Außerdem bekomme ich allmählich recht kalte Füße. Und unter diesen Umständen soll ich Autogenes Training betreiben? Dann erklingt plötzlich die Stimme des Kursleiters: 'Ich bin ganz ruhig! (Pause) Arme und Beine sind bleischwer!'

    Verblüffend: Meine Beine und Arme scheinen kurz darauf tatsächlich an Gewicht zuzunehmen, irgendwie in die Schaumstoffmatte hineinzusinken, und das, obwohl sie doch schon voll und ganz auf der Matte liegen. Ich bin ganz Arm, ganz Bein, ganz schwer. Ich werde ruhiger und mit zunehmender Schwere meiner Gliedmaßen werde ich auch immer hirnschwerer. Ich scheine mit geschlossenen Augen vor mich hin zu treiben, Sekunden, Minuten, ich weiß nicht, wie lang. Ist mir auch egal. Wenn das so weiter geht, schlafe ich ein. Dann das Abschluss-Signal des Kursleiters: Arme anspannen, Becken hoch heben, Augen auf und schließlich aufsetzen. Die 'Rückkehr' fällt zunächst schwer, doch kurz darauf stelle ich fest: Ich fühle mich irgendwie erholt. Und dabei hat uns Dr. Helmut Böll, der den Kurs bei der AOK Kaufbeuren-Ostallgäu leitet, doch nur sieben Minuten mittels Autogenem Training 'meditieren' lassen. Autogenes Training ist eine Meditationsform ganz ohne religiösen Hintergrund.

    Das Verfahren wurde von dem deutschen Arzt I. H. Schultz entwickelt. Entstanden ist das Autogene Training aus ärztlichen Erfahrungen mit Hypnose. Erstmals hielt Schultz im Herbst 1924 einen Kurs an der Lessing-Hochschule in Berlin ab. Von den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts an erwachte eine ständig größer werdende Beliebheit für Autogenes Training, das auch als eine Art Selbsthypnose beschrieben werden kann.

    Indirekter Einfluss

    Was ist nun Autogenes Training? Dr. Böll erklärt es mit einfachen Worten. Es gibt ein willentlich beeinflussbares Nervensystem, mit dem wir in der Lage sind, zum Beispiel unseren rechten Arm zu heben. Aber es gibt auch das vegetative Nervensystem, das nicht willentlich beeinflussbar ist. Es regelt unter anderem die Darmtätigkeit oder die Herzfrequenz, auf die wir keinen Einfluss haben. 'Mit dem Autogenen Training wurde allerdings eine Methode gefunden, mit der wir im Unterschied zu anderen Verfahren ganz direkt Einfluss auf unser vegetatives Nervensystem nehmen können', so der Mediziner, der selbst seit Jahrzehnten das Verfahren praktiziert.

    'Man muss natürlich viel üben.' Aber mittlerweile sei er beispielsweise in der Lage, sein vegetatives Nervensystem derart zu steuern, dass er etwa um zwei Uhr nachts aufwache, wenn er es vor dem Schlafengehen so beschließe.

    Die Kursteilnehmer nehmen dies mit Erstaunen zur Kenntnis. Unterschiedliche Gründe treiben sie zum Autogenen Training. Ein Mann berichtet, das er einen Hörsturz erlitten habe und unter Tinnitus leide. Andere wiederum suchen dringend eine Methode, um 'abzuschalten'. Autogenes Training sei dafür eine äußerst wirksame Methode, so Böll. 'Aber sie müssen üben, üben, üben.' Und er gibt als Hausaufgabe, jeden Tag zweimal zehn Minuten innezuhalten, mit der Formel: 'Ich bin ganz ruhig. Arme und Beine sind bleischwer.'

    Kurse in Autogenem Training werden unter anderem von Krankenkassen angeboten. Der nächste Serienteil beschäftigt sich mit dem Thema Meditation in der Tradition des Buddhismus.

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