Altes Kunsthandwerk bewahren möchte die Vereinigung "Land-Hand". Wir stellen in loser Reihenfolge einige Allgäuer "Heimhandwerker" vor. Heute geht es um die Kemptener Trachtenschneiderin Josefine Egger.
Gelernt hat Josefine Egger Damenschneiderin, aber ihr Gesellenstück war ein Dirndl. "Schon als Kind war ich fasziniert von diesen schönen Kleidern, die meine Mutter öfters trug," sagt die fünffache Mutter. Die kleine Josefine wurde in Tracht eingeschult und als 14-Jährige nähte sie sich ihr erstes eigenes Dirndl. Heute hängen um die zehn Mieder, 20 Schürzen und acht Röcke in einem eigenen "Trachtenschrank". In den Gottesdienst und zu besonderen Anlässen zieht die 50-Jährige das selbst Geschneiderte gerne an.
Sie achtet - auch in den von ihr gegebenen Kursen - zwar auf traditionelle, aber auch zeitlose Schnitte, "sonst wird aus der Tracht ein historisches Kostüm".
Interessant sei es, auf internationalen Bäuerinnentreffen die Dirndlträgerinnen einzuordnen. "Typisch für Oberstdorf ist beispielsweise der schwarze Plisseerock und das rot bestickte Mieder." Im Westallgäu hingegen seien die Frauen oft sehr farbenfroh gekleidet, "zum Beispiel mit gelbem Mieder, braunem Rock und grüner Schürze". Frauen kleideten sich eben gerne individuell, schmunzelt Egger.
Was gehört nun zu einer Allgäuer Tracht?
l Mieder mit Biesenstepperei,
l Gestiftelter Rock (mit von
Hand fein gezogenen Falten)
l Schürze, beispielsweise aus Sei-
de beim festlichen Dirndl.
Während der Rokokozeit (Anfang des 18. Jahrhunderts) sei das Mieder zunächst als Unterkleid getragen worden. Später dann als "höfisches Mieder" über der Bluse und in der Biedermeierzeit (Anfang 19. Jahrhundert) kurz und mit Biesenstepperei. Die "erneuerte Allgäuer Tracht" sei eine Mischung aus Rokoko und Biedermeier. Ein richtiges Dirndl werde aus einem leichten Wollstoff gefertigt.
Billig zu haben seien die Grundmaterialien nicht. Rund 400 Euro müsse man für einen guten Stoff berappen. Und als Arbeitszeit brauche ein Anfänger schon 50 Stunden, denn "man muss sehr sorgfältig vorgehen". So werde Baumwollgewebe im Mieder fixiert, dienten Rosshaar und Miederstäbchen zur Verstärkung. Zudem würden Biesenschnüre je nach Geschmack eingenäht und das Ganze mit Borte, Samtband oder Stoff eingefasst.
Zum Schluss kommen schmückende Ösen samt Kette aufs Mieder.
Den Rock stifteln
"Es wäre Unsinn solch ein Kleid wie vor 200 Jahren mit der Hand zu fertigen", macht Egger darauf aufmerksam, dass freilich viel mit der Maschine genäht wird. Von Hand allerdings werde der weite Rock gestiftelt (im vier Millimeter-Stich). Rock und Schürze sind meist von Hand gesäumt und das Mieder bestickt mit Hexenstich, Goldperlen und Silberfäden.
Zum Annähen von Bund und Borten oder das Versäubern am Hals- oder Armausschnitt werde der Staffierstich genutzt. Dirndl sind in Eggers Augen "zeitlos schön". Ein 30 Jahre altes Mieder kleide sie weitere 30 Jahre gut - es sei denn, es passt nicht mehr. (sir)