Von Michaela Behr|NiederstaufenOft steht sie in schwindelnder Höhe, eingehüllt in eine Wolke aus Staub. Muss Farbeimer und Materialien schleppen, wochenlang Wände abspachteln und richtig schwere körperliche Arbeit verrichten. Dann wieder werden Melanie Maurer hohes Feingefühl und Geschick abverlangt, enormes Fachwissen und ein ständiges Gespür fürs Schöne. Die 27-Jährige ist Kirchenmalerin, jetzt hat sie ihre Meisterprüfung abgelegt. Seit Juli arbeitet sie wieder im Betrieb Eyerschmalz in Reicholzried.
Melanies ganzer Stolz steht auf einem Tischchen im elterlichen Haus in Niederstaufen: Eine Madonnenfigur in leuchtendem Rot und Blau mit strahlend-goldenem Umhang. Auf der Hand des Jesuskindes hat sich ein kleiner Spatz niedergelassen, zu Füßen der Maria ist in einer Mondsichel der Kopf Evas zu sehen. Der Wert - eine Arbeitszeit von 60 bis 70 Stunden und die Materialkosten inbegriffen: rund 10 000 Euro.
Das gothische Original stammt aus der Werkstatt des Leutkircher Bildhauers Hans Multscher (*um 1400, 1467) und steht im Stadtmuseum in Lindau. Die Gothik hat es Melanie besonders angetan: 'Die Kunstwerke sind schlicht, aber man ist mit ganz großer Sorgfalt ins Detail gegangen.'
Die Leuchtkraft der Farben ist es, die ihrer Madonnen-Nachbildung etwas ganz Besonderes gibt. 'Richtig peppig sieht sie aus - die Farben der gothischen Originale sind heute natürlich verblasst, aber früher sahen die Kunstgegenstände tatsächlich so aus', erklärt die 27-jährige Kunsthandwerkerin.
Das Wissen um die alten Materialien ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit als Kirchenmalerin: 'Wir arbeiten nur mit historischen Pigmenten und Farbmitteln - genauso wie die Kunstgüter einst hergestellt wurden.' Mineralien, Erde, Pflanzensäfte und tierische Farbstoffe bilden die Pigmente der Meisterwerke.
Nach alten Rezepten, die von Epoche zu Epoche variieren, mischen Kirchenmaler bis heute ihre Farben selber. 'Chemische Farben sind zwar wahnsinnig bunt und kräftig, die alten Farben aber haben eine ganz andere Tiefenwirkung, einen viel schöneren Charakter', schwärmt Melanie.
Doch reicht die Arbeit der Kirchenmalerin wesentlich weiter: Stuck und Wandflächen müssen von später zugefügten Farbschichten freigelegt werden. Altäre und Figuren werden gesäubert, restauriert und neu vergoldet. Oft ist es harte Arbeit, die Melanie Maurer dabei verrichten muss - etwa bei der Restaurierung einer Turmkuppel: 'Wenn man mit Eimern zigmal am Tag hoch- und runterlaufen muss, ist das ganz schön anstrengend - ewig kann man das als Frau vermutlich nicht machen.'
Später, so die 27-Jährige, könne sie sich vorstellen, mehr Zeit in der Werkstatt zu verbringen, ein paar Jahre möchte sie aber auf jeden Fall noch 'viel draußen bleiben'.
'Draußen' - das waren bislang etwa die St.-Anton-Kirche und das Stadttheater in Kempten, die Ges-tratzer Orgel, die Pfarrkirche in Eckarts im Oberallgäu oder - noch in der Ausbildung - die St.-Anna-Kirche in Augsburg.
'Das Wichtigste als Kirchenmalerin ist: Man braucht ganz viel Geduld - eigentlich ist ständig alles langwierig und man darf nie zu schludern anfangen', sagt Melanie.
Als Herausforderung betrachtet es die 27-Jährige, dass Kirchenmaler heute - um langfristig bestehen zu können - auch über das eigene Aufgabenfeld hinaus tätig werden müssen. Der Betrieb 'Eyerschmalz' restauriert nicht nur, sondern fertigt auch moderne Illusionsmalerei an - etwa für Schwimmbäder oder Hauseingänge. Da ist dann über das Handwerk hinaus vor allem Kreativität gefragt.