München/Marktoberdorf | hie | Einmal Sanitäter beim Oktoberfest in München sein, reihenweise Bierleichen versorgen, Schnittwunden verbinden, Hilfe leisten, wenn der Kreislauf im Feiermarathon schlapp macht - was für viele wie ein Alptraum klingt, ist für die beiden Marktoberdorfer Zwillinge Markus und Thorsten Wöhl (31) ein Wunschtraum und eine Herausforderung: Seit vielen Jahren sind die Beiden schon Mitglieder in der Sanitäts-Bereitschaft des BRK Marktoberdorf, nun waren sie ein Wochenende lang erstmals im Team weiterer Sanitäter auf der Theresienwiese im Einsatz.
"Am Anfang mussten wir hauptsächlich Personal versorgen", erzählt Thorsten: Kellnerinnen, die sich beim Wegräumen von Glasscherben geschnitten haben, einen Koch der sich die Hand verbrannt hat. "Aber die lassen sich nur verbinden und gehen dann gleich wieder an die Arbeit zum Geldverdienen." Ab 12 Uhr trudelten die ersten Bierleichen mit Platzwunden und Schnittwunden ein. "Im Vergleich zu unseren sonstigen Einsätzen sind das hier riesige Dimensionen, wir waren in eine gewaltige Organisation eingebunden und hier ist immer etwas los," schwärmt Markus Wöhl.
Ab 17 Uhr wurden die Marktoberdorfer einem von zehn Trageteams zugeteilt: Zusammen mit drei anderen Helfern aus München, darunter einer angehenden Ärztin, müssen sie mit einer fahrbaren Trage schnell vor Ort sein, wenn ein Notruf eingeht. "Unser Teamchef ist mit einer Trillerpfeife und mit Ellenbogeneinsatz vorausgegangen, um uns einen Weg durch die Menge zu bahnen," schildert Markus.
Durch die Massen gekämpft
"Leichter war es, wenn uns die Polizei einen Weg freigemacht hat, oder ein Krankenwagen vorausgefahren ist." So kämpften sie sich zu einem Bewusstlosen vor, der vor einem Zelt mitten auf der Straße lag. Einen ebenfalls bewusstlosen, alkoholisierten 14-Jährigen luden sie vor dem Autoscooter auf ihre Trage.

Wiesn-Outfits
Münchner Oktoberfest 2023: Die eigenwilligsten Trachten-Outfits auf der Wiesn
"Die Anforderungen sind aufgrund der besonderen Situation hier hoch, erklärt Thorsten nüchtern: "Der Festbetrieb läuft weiter, die Menschen tanzen auf den Bänken, während sich Angehörige und Freunde - nicht selten angetrunken - um den oder die Patienten drängen. Da heißt es Ruhe bewahren und schnell die richtige Entscheidung treffen." Die schwerste Verletzung, die das Team versorgen musste, war eine tiefe Schnittwunde in einem Arm, bei dem die Hauptschlagader und die Sehne durchtrennt waren. Insgesamt neun Mal musste das Trageteam von Markus und Thorsten Wöhl an diesem Abend ausrücken. Da blieb kaum Zeit für eine längere Brotzeit. Dabei ist die Verpflegung alles, was die Sanitäter für ihren Dienst erhalten.
Zeigen, was man kann
Erst um 1 Uhr in der Nacht endete der Einsatz für die Zwillinge. Markus und Thorsten Wöhl sind sich einig: "Im nächsten Jahr sind wir wieder dabei! Hier können wir zeigen, was wir gelernt haben und beweisen, dass wir gut sind," berichten sie mit strahlenden Augen. Der gleichen Herausforderung stellen sich drei weitere Bereitschaftsmitglieder aus Marktoberdorf bereits am kommenden Wochenende, wenn das Oktoberfest in seinen Endspurt geht.