Kempten/Oberallgäu | be | Gesetzliche Bestimmungen rund um die Pflege sind meist schwer durchschaubar. Einer, der sich damit über seinen Beruf hinaus beschäftigt, ist Dr. Philipp Prestel. Der Diplom-Gerontologe und Geschäftsführer des AllgäuStift-Stiftungszentrum für Familie, Gesundheit und Pflege ist nicht nur Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen. Er sitzt zudem in einem Expertengremium auf Bundesebene, das in Sachen Pflege die Kassenverbände und das Gesundheitsministerium berät.
Dort pocht Prestel immer wieder auf eines: Dass die ambulante Versorgung zu Hause und die Tagespflege ausgebaut, besser kombiniert werden und eigene Budgets bekommen. Anstelle großer Pflegeheime plädiert er für überschaubare Häuser und betreute Wohngemeinschaften. Denn der Bedarf an Tagespflege nehme zu. Ein Grund sei auch die neue Pflegeversicherungsreform. Die Kassenleistungen für die Kombination Pflege daheim und Tagespflege seien deutlich erhöht worden (Pflegestufe 1 beispielsweise von bisher monatlich 205 Euro auf bis zu 527 Euro). Pflegebedürftige können dadurch eher zu Hause oder in betreuten Seniorenwohnungen leben.
Prestel hält deshalb die Entscheidung für eine neue Tagespflegeeinrichtung in Dietmannsried für goldrichtig. Schließlich setzt er sich bei der Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie für ein ausreichendes Angebot an ambulanten, teil- und vollstationäreren Diensten ein.
Unnötige bürokratische Hürden bergen für ihn jüngste Gesundheits- und Pflegereformen. Beispielsweise das Verfahren, für 25 Demenz Erkrankte einen zusätzlichen Mitarbeiter in Pflegeheimen einzustellen. Dies sei seit Juli gesetzlich vorgesehen, doch Kassen und Verbände hätten sich so in Umsetzungsfragen verstrickt, dass es bisher keine Verbesserung gebe. Den Vorschlag, verstärkt Langzeitarbeitslose zu Pflegeassistenten auszubilden, sieht er mit gemischten Gefühlen.
In der Region hält Prestel das Angebot an stationären Pflegeplätzen in den Pflegeheimen für mehr als ausreichend. Es gebe ein Überangebot von 90 bis 100 Pflegeplätzen in Kempten und gleich viel freie im Oberallgäu. Durch Neubauten und Umbauten sei es zu einem Platzzuwachs gekommen: "Das reicht für die nächsten 15 bis 20 Jahre."

Schon Ende 2023
Wegen Personalmangel: Allgäuer Pflegeheim macht dicht!
Das klassische Altenheim für nicht Pflegebedürftige freilich gehöre weitgehend der Vergangenheit an. Gefragt seien ambulante Angebote, seniorengerechte Wohnungen mit Betreuung sowie die Kombination mit Tagespflegestätten für Pflegebedürftige. Der 43-Jährige pocht auf ein ausgewogenes Verhältnis "fachlich notwendiger, wünschenswerter und finanzierbarer Regelungen und schnellere Entscheidungen."
Und wenn Philipp Prestel nicht in seinem Büro, in einer der zehn AllgäuStift-Einrichtungen oder als Dozent und Sachverständiger unterwegs ist, ist der Dietmannsrieder am liebsten daheim: Bei seiner Frau, den zwei Kindern, in seinem Allgäu, an dem er mit Herz und Seele hängt.