Kaufbeuren (avu). - Wenn Herbstwochen-Zeit ist, wechselt Jochen Weißgerber gerne mal die Seiten. Der Gebietsverkaufsleiter bei der Aktienbrauerei führt derzeit nämlich keine Verkaufsgespräche in Anzug und Krawatte, sondern zapft Bier. Für neun Tage ist die Theke im Ausstellerzelt sein Arbeitsplatz, und das immer um diese Zeit seit vielen Jahren. Die Aktienbrauerei gehört zu den wenigen Kaufbeurer Unternehmen, die sich von Anfang an, also seit den frühen 70er-Jahren auf der Traditionsmesse präsentieren. Dass auf schlechte Jahre wieder gute folgen, wissen die meisten Aussteller. Doch im Vergleich über Jahrzehnte sind sich alle einig: Die Zeiten für Aussteller auf Verbrauchermessen sind nicht mehr so rosig. Bier und Alkoholfreies ist bei der Aktienbrauerei im Angebot. Ausgeschenkt von Jochen Weißgerber und seinen Kollegen. 'Hier sehe ich mal die andere Seite', sagt der Gebietsverkaufsleiter, der sich am Stand viele Anregungen für seinen eigentlichen Beruf holt. Denn im Vordergrund stehen natürlich Gespräche mit Kunden der Aktienbrauerei, aber auch mit dem Endverbraucher. 'Man kennt sich einfach oder lernt sich kennen', sagt er. Für ein Kaufbeurer Unternehmen wie die Aktienbrauerei sei es selbstverständlich, auf so einer Messe präsent zu sein - und das seit drei Jahrzehnten. Früher sei jedoch mehr los gewesen, bekennt Weißgerber. 'Mittags war damals die Theke voll', so der Freizeitwirt. Mittlerweile zeigen sich Lücken. Zitat Man gehört einfach dazu. Wenn die Herbstwoche vorbei ist, melden wir uns immer schon für die nächste an.} Conny Schumm von der Firma Schaarschuh Schuld sei 'die allgemeine Lage, nicht die Messeleitung. Aber seit zwei Jahren ist es sehr enttäuschend', so Christa Fluhr, Inhaberin des Unternehmens Kirchner Nähmaschinen, das von Anfang an auf der Herbstwoche ausstellt.
'Außerdem saugt die Allgäuer Festwoche alles auf.' Die Geschäftsfrau präsentierte bereits das Unternehmen Bernina auf der Messe, als sie vor sechs Jahren die Firma Kirchner samt Namen geschäftlich übernahm. Trotzdem zeigt sie sich zuversichtlich. 'Ich bin die Letzte, die jammert.' Die Zeiten seien härter geworden, sagt auch Hans-Dieter Dollinger von Kachelofenbau Fritz Dollinger. Am Stand seines Vaters Fritz sprang er noch als Kind herum. Er habe damals eigenhändig drei Kachelöfen im Zelt errichtete: 'Der hat eine Woche aufgebaut und vier Tage abgebaut', erinnert sich der Sohn. Der Messebesuch ist für Hans-Dieter Dollinger heute jedes Mal ein großer Aufwand. 'Deshalb entscheide ich immer sehr kurzfristig über eine Teilnehme.' Aus Kostengründen war der Firmenchef zwischendurch mal einige Jahre auf anderen Messen. 'Grundsätzlich bin ich aber zufrieden, deshalb bin ich heute auch jedes Mal wieder dabei.' Dollinger sagt aber auch, dass insgesamt mehr für die Messe getan werden müsse: mehr Werbung, mehr Aktivitäten, 'mehr für die kleinen Handwerker'. Die ganze Familie ist bei der Firma Schaarschuh Nähmaschinenhaus im Messe-Einsatz. Auch Christa Schaarschuh (66), die sich noch gut an die ersten Jahre erinnern kann. 'Früher gehörten unsere Produkte zum Grundbedarf oder wurden verschenkt.' Vieles habe sich verändert, der Verkauf werde schwieriger. Das sei aber eine allgemeine Entwicklung. 'Wir sind immer noch sehr zufrieden', so Christa Schaarschuh. Automatisch bekomme das Unternehmen seit Jahr und Tag denselben Platz im Ausstellerzelt, so Conny Schumm, die mit ihrem Mann Jörg heute die Geschäfte führt. Produkte von damals gibt es nicht mehr im Messe-Sortiment. Aber die Dienstleitung: Service und Kundendienst in eigener Werkstatt. 'Das', so Conny Schumm, 'haben wir damals schon propagiert.'