Kempten | kep: "Alleine hätte ich es nicht geschafft"

29. Dezember 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
privat

Hilfsangebot - Die Kemptener Kompetenzagentur ist seit einem Jahr Anlaufstelle für sozial benachteiligte Jugendliche

Daheim bei Tom (Name von der Redaktion geändert) brauchen zwei behinderte Brüder und weitere jüngere Geschwister die volle Aufmerksamkeit der alleinerziehenden Mutter. "Aus purer Langeweile" zieht der 17-Jährige deshalb gerne mal mit Freunden durch die Straßen und treibt so manchen Unfug. Auch mit der Polizei schließt der er das ein oder andere Mal unerfreuliche Bekanntschaft. Weil sein Hauptschulabschluss zu schlecht ist, kassiert er auf die zahlreichen Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz nur Absagen. Sein Leben scheint in einer Sackgasse zu stecken, ohne Perspektive auf einen Ausweg.

Dabei fällt es Tom unglaublich schwer, von Angesicht zu Angesicht über seine - nicht gerade wenigen - privaten Probleme zu reden. Über das, was ihn belastet, spricht er allenfalls mal mit einem Betreuer des Jugendamts, der Toms Großfamilie seit Längerem betreut. Der gibt ihm schließlich den Tipp, bei der Kompetenzagentur - einer Anlaufstelle für sozial und schulisch benachteiligte Jugendliche (wir berichteten) - vorbeizuschauen und dort nach Hilfe zu fragen. Der 17-Jährige fasst sich ein Herz.

Das war vor zehn Monaten. Mittlerweile ist Tom 18 Jahre alt und führt ein anderes Leben: Mit aufrechter, offener Haltung erzählt er gut gelaunt und nicht ohne Stolz, dass er seit zwei Monaten ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. Ein Jahr lang kümmert er sich Tag für Tag in der Wohngemeinschaft Iller um geistig und körperlich Behinderte.

"Das macht mir großen Spaß und ich bin sehr viel geduldiger geworden, auch wenn ich am Anfang erst lernen musste, mit der Verantwortung umzugehen", sagt Tom zufrieden und selbstkritisch zugleich. Nach dem sozialen Jahr hofft der 18-Jährige, eine Ausbildungsstelle als Heilerziehungspfleger zu bekommen. "Das ist das, was ich machen möchte", ist Tom sich über sein Ziel sicher und gibt zu: "Ohne die Hilfe von Rebecca hätte ich es nicht geschafft."

Rebecca Hagspiel ist Sozialpädagogin und diejenige, die mit Tom in den vergangenen Monaten viele Gespräche - ob am Telefon oder privat - geführt hat und ihn stets mit offenen Armen empfing. Gemeinsam haben sie Bewerbungsunterlagen durchgesprochen und über seine Wünsche, Ziele und Sorgen gesprochen. Das alles hat Tom selbstbewusster und optimistischer gemacht.

"Wenn ich ihn jetzt so sehe, kann ich es kaum glauben, wie sehr er sich seit unserer ersten Begegnung verändert hat", staunt Hagspiel, die die Kompetenzagentur seit einem Jahr mit ihrem Kollegen Torben Döring leitet.

Zusammenarbeit funktioniert

Dass Tom überhaupt in der Agentur gelandet sei, zeige, dass die Kooperation mit anderen sozialen Anlaufstellen und Projekten von "Zukunft bringts" (wir berichteten) funktioniere. "Ich wäre sonst wohl nie an Tom herangekommen", glaubt Hagspiel. Obwohl ihr Schützling schon viele Schritte in Richtung eines selbstständigen Lebens gegangen ist, will er sich nicht ganz von der Kompetenzagentur verabschieden. "Ich brauche die Hilfe noch und nehme sie gerne an."

Die Kompetenzagentur ist in die Bäckerstraße 9 umgezogen. Telefon: 0831/960166-23 oder -25. Kontaktzeiten: Dienstag von 10 bis 12 Uhr, Mittwoch von 16 bis 18 Uhr.