Kaufbeuren: Allein mit dem Killerkarpfen

24. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
beckmann

Serie(15) - Viele kennen den Innovapark bei Tag, nachts ist das Gebäude aber nur dem Mann vom Werkschutz vertraut wie seine Westentasche

Es gibt sie, die bulligen Kerle mit Glatze auf dem Kopf und Kanone am Gürtel. Denen möchte man nicht im Dunkeln begegnen, obwohl "Sicherheitsdienst" auf ihren schwarzen Jacken steht.Kurz nach zehn ist es in dieser Nacht, als Ludwig Mayer am Telefon freundlich den Rückruf des zuständigen Mitarbeiters am nächsten Tag verspricht. "Wir sind Dienstleister", sagt der 55-Jährige hinterher. Sein Beruf: Werkschutzfachkraft. Der Arbeitsplatz: Innova Allgäu Hightech-Park in Kaufbeuren. Ein Gebäudekomplex, in dem 40 Unternehmen ihre Heimat haben.

Respektsperson ohne Waffe

Freundlicher Blick, schütteres Haar, eine Brille auf der Nase. Der blaue Pulli, die graue Hose, seine Identifikationskarte machen Ludwig Mayer auch ohne Waffe zu einer Respektsperson. "Wir müssen höflich, aber bestimmt auftreten", sagt er und deutet auf den öffentlich zugänglichen Geldautomaten am Eingang. Vor allem am Wochenende gibt es auch mal Ärger mit Besoffenen. Zweimal die falsche Geheimnummer eingegeben und es geht los.

Einmal hat Mayer einen Einbrecher ertappt, der flüchten konnte. Manchmal muss er Saufgelage auf dem Innova-Parkplatz beenden oder die Polizei rufen. Er stellt Vandalen, beantwortet Fragen, nimmt Pakete entgegen und ist bei Feuer, Rohrbruch oder Unfall der Ersthelfer. Der Innovapark gehört zur Dobler-Gruppe. Das ist nicht nur der Firmenpark, das ist auch das Bauunternehmen, es sind Immobilien und der Bauschnelldienst.

Mieteranrufe, Auftragsanfragen und Notrufe aus festsitzenden Aufzügen könnten nachts eingehen.

Ludwig Mayer sitzt an der Rezeption. Und hat doch alles im Blick. Ein Bildschirm zeigt ihm ein gutes Dutzend Bilder der Kameras rund ums Haus. Die technischen Anlagen - Lüftung, Wasser, Temperatur - überwacht ein anderer Rechner. Sensoren der Brandmeldeanlage sind im ganzen Gebäude verteilt; alle Drähte laufen auf dem Computer zusammen. "Die Haustechnik ist auf dem neuesten Stand", sagt der gelernte Installateur und lehnt sich zufrieden zurück.

"Zeit für den Rundgang", sagt Sicherheitsbeauftragte, streift sich die schwarze Jacke über, meldet sich in der Zentrale der Landsberger Sicherheitsfirma W.I.S. ab und ist fortan übers Handy erreichbar. Er tritt ins Dunkel. Leuchtet mit der Taschenlampe in dunkle Ecken.

Läuft großräumig um Gebäudekanten. "Man weiß nie, wie ein Betrunkener oder Einbrecher reagiert, der plötzlich direkt vor einem steht", sagt er. Mayer macht seine Kontrollgänge zu unterschiedlichen Zeiten, nimmt immer andere Strecken. Auch mit geschlossenen Augen würde er zurückfinden. Seit 22 Jahren bewacht er den Innovapark, früher stand noch "Digital Equipment" über der Tür.

Der Weg durch die Kälte führt ihn auch zum Löschteich, südlich des Gebäudes. "Da drunter lebt Kuno, der Killerkarpfen", lacht er und leuchtet auf die Eisfläche. Das Tier soll abschrecken. Im Sommer muss so mancher Freiluftschwimmer vertrieben werden, der dort nichts zu suchen hat.

Die Nacht, lange Flure, einsame Stunden, Geräusche. "Ängstlich darf man nicht sein", meint er. Einerseits. Andererseits: Nach all den Jahren ist die Arbeit für Mayer mehr als ein Job. Manchmal kommt einer wie er sogar richtig ins Schwärmen. Denn auch das Dach muss regelmäßig inspiziert werden. Heute steht er wieder oben, blickt auf die Lichter der Stadt. "In klaren Nächten", sagt Mayer, "ist das der schönste Platz weit und breit."