Von Michael Denkinger, Memmingen - Polizei Memmingen, Zimmer 017, Asservatenraum. Beißender Geruch durchdringt die etwa vier mal fünf Meter kleine Kammer. An einer Wand steht ein Regal mit in Klarsichthüllen oder Kartons verpackten Gegenständen: Einbruchwerkzeuge, Benzinkanister und Blut befleckte Arbeitshandschuhe lagern hier zum Beispiel. Die Corpi delicti stehen größtenteils in Zusammenhang mit ungeklärten Straftaten. Die Unterlagen, die sich diesen Verbrechen zuordnen lassen, sind einige Etagen höher in Wandschränken aufbewahrt. Weit über 300 Aktenordner stehen dort. Allein 20 Ordner befassen sich mit einem Mordfall aus dem Jahre 1993: Ein Rechtsanwalt war in Bad Wörishofen umgebracht worden. Was genau damals passiert ist und wer den Mann getötet hat, das blieb bis heute im Dunkeln. Das Prozedere in diesem Fall, der seinerzeit sogar in der Fernsehsendung 'Aktenzeichen XY' vorkam, ist vielleicht ein Paradebeispiel, wie sich polizeiliche Ermittlungen hinziehen können. Nach dem Mord wurde eine Sonderkommission (Soko) mit den Ermittlungen betraut, wurden Spuren verglichen, Verdächtige vernommen. Der Blick in polizeiinterne Datenbänke, in denen Fingerabdrücke oder DNA-Analysen (Haare, Speichel, Sperma) gespeichert sind, brachte keine Erkenntnisse. Weil der Hergang der Tat über Jahre nicht geklärt werden konnte, wurde das Tötungsdelikt zunächst einmal zu einem der ungeklärten Fälle für den Polizei-Aktenschrank. Zu keiner Zeit sei es aber ad acta gelegt worden, sagt Klaus Schmidt, stellvertretender Leiter der Kripo Memmingen: 'Die Polizei stellt nie die Ermittlungen ein, wir hoffen und suchen immer weiter.' Das gelte nur dann nicht, wenn es sich um eine Tat handle, die verjährt. Schmidt weiß, wovon er spricht. Noch 25 Jahre nach einem Vermisstenfall 1966 verfolgte er Spuren. Damals war ein zwölfjähriges Mädchen in Vöhringen - seinerzeit im Tätigkeitsbereich der Memminger Kripo - verschwunden. Schmidt blieb Jahrzehnte am Ball. Das Mädchen tauchte aber nie mehr auf. 1999 gab es auch in dem Wörishofer Mordfall Neues. Wieder wurde eine Soko eingerichtet. Geklärt ist der Fall jedoch noch nicht. Die Belohnung, die zur Ergreifung des Mörders führt, gibt es noch immer. Es ist der gleiche Betrag wie 1993 - 20000 Mark, also etwa 10000 Euro. Im Dunkeln tappt die Polizei auch bei Banküberfällen, die 1998 in Legau, Sontheim, Erkheim und Markt Rettenbach für Aufsehen sorgten. Ebenfalls offen ist beispielsweise die Frage, wer die weibliche Wasserleiche ist, die es im August dieses Jahres im Schlingener Stausee (bei Wörishofen) angeschwemmt hat.
Blitzeinbruch: Täter gefasst Inzwischen geklärt ist aber der Blitzeinbruch in ein Memminger Fotogeschäft vor etwa sechs Jahren. Der Täter war in Norddeutschland wegen eines anderen Deliktes festgenommen worden. Der Vergleich zwischen Spuren und Täterprofil aus Memmingen und der von der Polizei im Norden erstellten DNA-Analyse brachte den Durchbruch. Der Name des Mannes findet sich nun in einem mit mehreren Wandschränken bestückten Raum der Memminger Kripo wieder. Also kein Fall mehr für Zimmer 017.