Kempten/Sonthofen (sh). - Sie hatten es auf die Airbags abgesehen. In einer Juni-Nacht schlugen sie zu. Schnell und professionell. Am Tag darauf eine Spur der Verwüstung: Bei 32 Autos eines Sonthofener Händlers hatten die Täter die Scheiben eingeschlagen und insgesamt 93 Airbags nebst Steuermodulen ausgebaut. Nun stand einer der Täter in Kempten vor Gericht - wegen schweren Bandendiebstahls wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt. Es war ein Indizien-Prozess. Denn während der gesamten Verhandlung leugnete der Angeklagte, ein 40 Jahre alter Pole, jegliche Tatbeteiligung. Er kenne lediglich einen Mann aus der Bande. Dieser Mann war kurz nach der Tat in Sonthofen gemeinsam mit dem 40-Jährigen und einem Auto voll gestohlener Airbags an der Grenze zu Polen erwischt worden. Während der eine festgenommen wurde, flüchtete der andere und ist bis heute verschwunden. So ließ sich bis zuletzt nicht klären, welche Funktion der 40-Jährige in der Bande hatte, die laut Amtsgerichts-Richter Johann Schlosser höchst professionell arbeitete. Nach einem regelrechten Logistik-Plan seien die Airbags fortgeschafft worden - teils mit verschiedenen Autos, teils mittels Post-Paketen. Nicht nur die Airbags aus Sonthofen, sondern auch grob geschätzt weitere 500, die aus Diebstählen quer durch Deutschland, Österreich und der Schweiz stammen.
Dass für all diese Taten mehr als zwei Menschen verantwortlich sind, steht für Schlosser fest. 'Man muss bedenken, dass in einer einzigen Nacht fast 100 Airbags ausgebaut wurden. Für einen einzigen braucht ein Fachmann zehn bis 15 Minuten.' Während ein Teil der Sonthofener Airbags bei der Festnahme des 40-Jährigen beschlagnahmt wurde, kann die Polizei derzeit nur vermuten, wo die restlichen Teile hingekommen sind. 'Es gibt den Verdacht, dass die Airbags zu einem der Automärkte hinter der polnischen Grenze geschafft wurden', erklärt Wolfgang Huber von der Kriminalpolizei. Die Kemptener hatten im Sommer die Fahndung ausgelöst, die schon kurz darauf zum Erfolg führte. Huber zufolge gibt es einen regen Publikumsverkehr auf den polnischen Automärkten - auch aus Deutschland kämen Interessenten. Von dem Kauf anonymer Ware rät Huber dringend ab. Denn man laufe nicht nur Gefahr, Hehlerware angedreht zu bekommen, sondern gehe auch ein Sicherheitsrisiko ein. So hatte der Sonthofener Autohändler seine wieder aufgefundenen Airbags zerstören lassen. Es sei zu gefährlich, sie wieder einzubauen. Warum es die Diebe auf die Airbags abgesehen hatten, weiß ein Sachverständiger der Dekra Kempten: 'Es geht um Unfallautos.' Es sei sehr teuer, nach einem Unfall die ausgelösten Airbags durch neue zu ersetzen. 'Da kommen schon mehrere tausend Euro zusammen. Deshalb sind Airbags bei Dieben begehrt.' Der in Kempten Angeklagte wurde indessen zu drei Jahren Haft verurteilt, sein Anwalt will in Berufung gehen.