Kemptener Fachärzte wehren sich gegen die aktuelle Gesundheitspolitik. So schließen beispielsweise zwölf Frauenärzte morgen, Dienstag, aus Protest ihre Praxen. Auch Kemptener Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten sowie Augenärzte aus Kempten sowie den Landkreisen Oberallgäu und Ostallgäu haben die Schließung ihrer Praxen angekündigt.
Die Mediziner folgen damit einem bayernweiten Aufruf der ärztlichen Fachverbände. So ist die Aktion beispielsweise nach Angaben der Gynäkologen nötig, weil sie durch ein neues Honorarsystem nicht mehr kostendeckend arbeiten können. "Durch die Änderungen ist es nicht möglich, Patienten ausreichend zu versorgen", sagt Dr. Michael Gaugenrieder. Das Problem sei, dass die Frauenärzte von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) im Quartal nur noch 16 Euro pro Patientin zur Verfügung gestellt bekämen. Unter diesen Bedingungen funktioniere es nicht, den Arzt-Beruf wirtschaftlich erfolgreich auszuüben.
Da Ärzte offiziell nicht streiken dürfen, werden die Kemptener Praxen im Rahmen eines Informationstags geschlossen. Gaugenrieder schätzt, dass zwischen 40 und 80 Termine pro Praxis verschoben werden müssen: "Patientinnen, die akut krank sind, bekommen aber innerhalb weniger Tage einen neuen Termin". Dasselbe gelte für Schwangere. Bei Routineuntersuchungen könne es aber passieren, dass Frauen vier bis sechs Wochen warten müssen.
Bei den Frauenärzten hätten die Patientinnen auf die angekündigte Schließung überraschend verständnisvoll reagiert. "Wenn man ihnen sagt, dass für ihre Behandlung im Quartal nur noch 16 Euro zur Verfügung stehen, dann verstehen sie es", so Gaugenrieder. Er befürchtet, dass Fachärzte künftig immer mehr Leistungen nur noch gegen Privatrechnung erbringen werden.
So gehe es bei vielen "ums nackte Überleben", so dass sie entweder ihre Praxis schließen oder ihre Leistungen besser verkaufen müssten.
Dr. Thomas Lorentz, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Kempten, teilt Gaugenrieders Meinung. Es sei nicht nur bei den Gynäkologen momentan nicht möglich, wirtschaftlich zu arbeiten, sondern auch bei sehr vielen anderen Fachärzten. "Wenn sich nichts ändert, müssen einige ihre Praxen schließen", sagt Lorentz, der selbst Facharzt für Labormedizin ist.
Der Kreisverbandschef schätzt, dass die Neuerungen darauf abzielen Gesundheitszentren zu bilden, in denen die Ärzte angestellt sind: "Kommerzielle Interessen rücken dabei in den Vordergrund und der Patient wird zum Kostenfaktor." Freiberufliche Ärzte seien durch diesen Kurs gefährdet. Daher sehe der ärztliche Kreisverband der Protestaktion "wohlwollend zu". Auch wenn der Verband selbst vorerst keine Maßnahmen ergreife.