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45 000 Euro für einen Heimplatz

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45 000 Euro für einen Heimplatz

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    Von Markus Bär Kaufbeuren - Gerade jetzt zur Weihnachtszeit haben viele das Bild von der heilen Welt der Familie im Sinn, die sich bald um den Christbaum versammelt. Doch existieren natürlich auch ganz andere Verhältnisse. Es gibt, so Kaufbeurens Jugendamtsleiter Rudolf Uhrle, Kinder, die 'ihren Eltern im Prinzip völlig egal sind.' Das gehe soweit, dass man diese Kinder nur noch in ein Heim geben kann. Kostenträger in solchen Fällen - wie in vielen anderen Fällen auch - ist die Stadt. So kostet ein Heimplatz pro Jahr rund 45 000 Euro. Wie Uhrle nun bei der Sitzung des Jugendhilfeausschusses betonte, steigen die Kosten für die Jugendhilfe kontinuierlich an. Wenn der Kaufbeurer Jugendhilfeausschuss, in dem neben der Stadtspitze vor allem Spitzenvertreter sozialer Einrichtungen in Kaufbeuren sitzen, einmal pro Jahr tagt, werden meist im Zusammenhang mit dem Haushalt schier endlose und schwer verständliche Zahlenkolonnen vorgetragen (siehe Grafik). Diese erzeugen aber kaum ein Abbild der eigentlichen Bedeutung der Kaufbeurer Jugendhilfe. 'Hinter jedem einzelnen Fall steckt ein Schicksal', so Uhrle, der das Jugendamt seit acht Jahren leitet. Derzeit unterstützt die Stadt 33 Kinder und Jugendliche, die in Heimen untergebracht werden mussten. Früher kamen Kinder oft als Waisen in ein Heim. 'Das gibt es heute kaum noch', so Uhrle. Waisen werden, wenn es irgendwie geht, bei anderen Verwandten untergebracht. Ein Heimaufenthalt komme eher in Frage, wenn die Herkunftsfamilie 'quasi nicht mehr existiert.' Uhrle meint damit solche Fälle, wenn Eltern ihre Kinder völlig vernachlässigen. Hier spiele die emotionale Komponente eine große Rolle. Es gebe Kinder, für die sich die Eltern überhaupt nicht interessieren. Diese Kinder werden teils in Heimen untergebracht. Da keines in Kaufbeuren existiere, weiche man auf Einrichtungen in Schongau (Herzogsägmühle), Kempten, Augsburg oder auch Nürnberg aus. Die Zahl der betroffenen Kinder sei von 29 im Jahr 2004 auf nun 33 gestiegen. Zitat Hinter jedem einzelnen Fall steckt ein Schicksal.

    Es gibt Eltern, die ihre Kinder emotional völlig vernachlässigen.}Jugendamtleiter Rudolf Uhrle Als Uhrle vor acht Jahren anfing, gab es allerdings noch 56 Fälle. Viel besser für die Kinder und günstiger für die Familie sei hingegen die Vollzeitpflege in geeigneten Familien. 'Auch hier stimmt vieles in den Herkunftsfamilien nicht, weshalb es besser ist, die Kinder in anderen Familien unterzubringen.' Oft seien die Eltern der Herkunftsfamilien einfach strukturiert, Alkohol und seine negativen Folgen spielten meist eine nicht unerhebliche Rolle. Betroffene Familien ambulant auszusuchen gilt in Fachkreisen - abseits von Heim und Pflegefamilie - als gute Tendenz. Das sei natürlich nur möglich, wenn die Fälle nicht allzu schwierig sind. Die Betreuung von Familien durch eine sozialpädagogische Kraft kann für die Kinder sehr gut sein - wenn zum Beispiel Eltern mit ihren Kindern überfordert sind. Ambulante Arbeit ist zudem finanziell günstiger. Nun werden knapp 300 000 zusätzliche Euro beantragt - weil immer mehr Fälle betreut werden müssen. Außerdem wird durch das Freiwerden des Schwesterntraktes im Gebäude der Kinderkrippe St. Josef (dort werden Kinder von null bis drei Jahren betreut) in der Pfarrgasse Raum verfügbar. Bislang gibt es dort 24 Ganztagsplätze, die von 45 Kindern beansprucht werden (das geht rein rechnerisch dadurch, das nicht jedes Kind einen vollen Ganztagsplatz in Anspruch nimmt). Nun soll die Krippe um weitere zwölf Ganztagsplätze aufgestockt werden - was bis zu 65 Kindern Platz bieten kann. Als wichtige Investition wird zudem die Finanzierung von zwei halben Schulsozialarbeitsstellen für die Jörg-Lederer- und die Josef-Landes-Schule angesehen. Diese existieren bislang nicht. Anhand des Berichtes der Schulsozialarbeiterin Andrea Serwuschok der Neugablonzer Gustav-Leutelt-Schule konnte jedoch im Ausschuss die Bedeutung dieser Arbeit ermessen werden: 'Es gibt eine hohe Zahl an Kindern, die nie gelernt haben, wie man sich bei Streits sinnvoll zu verhalten hat', meinte sie. Sie sprach von psychischen und psychosomatischen Problemen 'bis hin zu suizidalen Tendenzen' - vor allem Buben seien hier betroffen. Uhrle nannte es 'beispielhaft', dass sich die Stadt hier engagiere. 'Meist zahlen Kommunen nur solche Stellen, wenn es dafür staatliche Zuschüsse gibt.'Das Gremium empfahl dem Stadtrat, das Budget von 3 571 000 Euro für 2006 noch um weitere 298 000 Euro zu erhöhen. Insgesamt werden in Kaufbeuren 5,5 Millionen Euro für Jugendhilfe ausgegeben. Nur 1,9 Millionen Euro kommen durch Staatszuschüsse, Beiträge oder Gebühren auf.

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