Seit Oktober 1999 gibt es all-in.de, das Nachrichtenportal der Allgäuer Zeitung. Und es hat sich viel getan in diesen 20 Jahren, die Entwicklung des Internets seit 1999 ging rasend schnell. Das betrifft die fortschreitende Technik, die Auswahl der Inhalte und natürlich die Präsentation und das Design. Ein Interview mit Markus Niessner, Geschäftsführer der rta.design GmbH, die als Tochterunternehmen der Allgäuer Zeitung das Portal all-in.de betreibt. Herr Niessner, welche Designsünde der Anfangszeit von all-in.de ist Ihnen heute noch peinlich? Peinlich kann man nicht sagen. Aus damaliger Sicht waren alle unsere Auftritte auch in der Gestaltung auf der Höhe der Zeit. Im Nachgang gesehen sind allerdings schon Dinge dabei, die heute zumindest befremdlich wirken. Beispielsweise die typische Späte-90er-Farbzusammenstellung der ersten Version oder die Textüberfrachtung der 2003-er Version.
Was ist für Sie der Hauptunterschied zwischen all-in.de 1999 und all-in.de 2019?
Da sind die Auftritte nicht mehr zu vergleichen. Während wir damals doch ein für heutige Verhältnisse sehr beschränktes Angebot hatten, bieten wir heute umfangreich und sehr aktuell Nachrichten und Serviceangebote. Auch die Darstellung und Aufbereitung unserer Online-Nachrichten hat sich verändert. Online gute Nachrichten abzuliefern ist ein ständiger Lernprozess, weil sich eben auch die Online-Nutzung bei den Usern ständig ändert. In den Anfangsjahren hat man einfach Zeitungsartikel online gestellt. Das funktioniert schon lange nicht mehr. Jedes Medium hat andere Anforderungen. Zeitung und Online, das ist wie bei Geschwistern, die man jeweils als Individuen sehen muss mit unterschiedlichen Bedürfnissen, auch wenn sie von denselben Eltern abstammen. Und den Bedürfnissen unserer User gerecht zu werden, daran arbeiten wir jeden Tag.
Was beim Blick auf die alten Bildschirmfotos sofort auffällt: Man stößt als erstes auf überregionale, teilweise weltweite Nachrichten. Heute dagegen findet man auf all-in.de größtenteils lokale und regionale Inhalte aus und über das Allgäu. Widerspricht das nicht dem weltweiten Anspruch des Internets?
Nein, ganz im Gegenteil. Wir konzentrieren uns auf das, was die User bei uns suchen und wollen hier das bestmögliche Angebot zur Verfügung stellen. Wir haben im Laufe der Zeit die überregionalen Inhalte auf das Wesentliche reduziert und uns auf unsere Region konzentriert, damit all-in.de übersichtlicher wird und unsere Nutzer das bei uns finden, für das wir stehen und was sie bei uns suchen. Wir sehen unsere Kompetenz ganz klar in der regionalen Information. Und die User sehen das offenbar genauso. Je stärker wir uns auf Allgäuer Themen konzentrieren, desto mehr User kommen auf unser Portal.
Bei Internet-Journalismus denken viele immer noch an lässige Typen im Kapuzenpulli (sog. Hoodie-Journalismus), an literweise kaffeetrinkende Nerds und an Stapel von Pizzakartons im schummrigen Kellerbüro. Ist das heute noch Realität?
Wenn man die Reichweiten von all-in.de betrachtet sieht man, dass wir mit all-in.de ein klassisches Massenmedium sind. Bei uns wird deshalb genauso seriös und nach journalistischen Grundsätzen gearbeitet, wie in anderen Medien auch. Sicherlich haben wir mehr Möglichkeiten, auch einmal in der Umsetzung zu spielen oder neue Dinge auszuprobieren. Ein gewisses Trial-and-Error ist dabei Normalität und auch wichtig. Die meisten von uns gehen auch regelmäßig Mittagessen, der Kaffee-Konsum ist in der Tat allerdings sehr ansehnlich. Eine Kleiderordnung haben wir nicht, da sind wir je nach Anlass und persönlichem Geschmack sehr variabel. Aber ich habe durchaus auch schon mal einen Kapuzenpulli bei uns gesehen...
Für viele gilt das Internet ja als schnelllebig und nicht sehr qualitätsbewusst. Wie sieht man das bei all-in.de?
Mittlerweile bilden User den Querschnitt der Bevölkerung. Und der Querschnitt der Bevölkerung ist weder dumm noch ungebildet. Selbstverständlich muss man auch online höchste journalistische Qualität liefern, sonst wird sich das sehr schnell in Vertrauensverlust seitens der User bemerkbar machen. Klar, wir müssen und wollen schnell sein. Am besten natürlich die Schnellsten von allen. Trotzdem legen wir Wert darauf, dass wir keine voreiligen Schnellschüsse abliefern, sondern dass unsere Inhalte auf der Grundlage von seriösem Journalismus entstehen.
Vor 20 Jahren noch kein Thema, jetzt für praktisch alle Zeitungen sehr wichtig: Social Media. Wie hat Facebook all-in.de verändert?
Facebook, Instagram, Twitter etc. sind für uns wichtige Möglichkeiten, schnell und aktuell auf unsere Inhalte hinzuführen. Wir erreichen mit Social Media eventuell Zielgruppen, die ansonsten schwieriger zu erreichen wären. Allerdings verfassen wir unsere Inhalte nicht "für" Social Media. Das wäre auch sehr kurzsichtig. Wir bleiben unserer Linie treu, indem wir uns ständig selbst weiterentwickeln und uns nicht auf Social-Media-Kanäle verlassen.
Wagen wir noch einen Blick in die Zukunft: Was bringt die Zukunft im Online-Journalismus? Worauf müssen sich die User einstellen?
Das ist eigentlich die falsche Frage. Zunächst mal heißt Zukunft für uns nämlich, dass wir uns auf das einstellen müssen, was die User möchten, und nicht umgekehrt. Hier unterscheidet sich online ganz klar von allen anderen Medien. Es gibt Trends, die wir sehr gespannt verfolgen und auch versuchen, mitzugestalten. Beispiel Podcast. In den USA schon seit vielen Jahren ein absoluter Renner. Bei uns in Deutschland hat es sehr lange gedauert, bis diese Darstellungsform im Journalismus wahrgenommen wurde. Weil die deutschen User das eben (noch) nicht wollten. Trotzdem setzen wir seit vielen Jahren auf Podcasts als Darstellungsform. Für den User ist der Podcast eine tolle Sache. Beim Bügeln, beim Autofahren, in der Bahn. Immer dann, wenn ich Zeit habe, kann ich mir einen Podcast anhören. Und der Journalist kann im Podcast auch mal so richtig in die Tiefe eines Themas gehen. Ohne Zeilenzwang oder Zeitlimits. Was man ansonsten vorhersagen kann: Video wird immer wichtiger. Aber beim Thema "Online" ist es wie beim Wetter: Vorhersagen, die weiter gehen als drei Tage, sind unseriös.