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Nur die Treppe runtergefallen

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Nur die Treppe runtergefallen

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    Von Markus Bär Kaufbeuren - Kinder in völlig verwahrlosten Lebensumständen, Kinder, denen im elterlichen Umfeld Gewalt angetan wird: Spektakuläre Nachrichten über dieses unschöne Thema haben in den vergangenen Monaten immer wieder die Runde gemacht. Oft fragt man sich: Warum tut denn niemand etwas? Wo bleibt das Jugendamt? Der Kaufbeurer Jugendamtsleiter Rudolf Uhrle betont, dass seine Behörde im Schnitt zwei- bis dreimal pro Jahr Eltern ihre Kinder wegnehmen muss, weil es nicht mehr anders zu verantworten ist. Trotz landläufiger Meinung stünden dem Jugendamt nämlich sehr wohl wirksame Mittel zur Verfügung, um Kinder zu schützen. 'Aber in Fällen, wo wir von nichts wissen, können wir natürlich nichts tun', so Uhrle. Das Jugendamt habe eine große Verantwortung. 'Erreicht uns ein Hinweis, zum Beispiel von Nachbarn oder aus der Schule, dann gehen wir der Sache nach', so Uhrle. Ein aus vier Mitarbeitern bestehender Sozialdienst klingle dann ohne Anmeldung an der betreffenden Haustür. 'In der Regel wird man dort nicht mit offenen Armen empfangen', so Uhrle weiter. Deshalb sei es auch nicht ungewöhnlich, dass der Sozialdienst zu zweit auftrete, um der Sache mehr Nachdruck zu verschaffen. 'Manchmal sieht es in diesen Haushalten aus, das kann man sich kaum vorstellen. Da türmt sich Geschirr in der Badewanne und in der Toilette. Die Wohnungen gleichen Müllhalden mit katastrophalen hygienischen Zuständen - und die Eltern sehen es selbst gar nicht so.' Meist stammten die Familien aus sozial schwachen Schichten, oft spiele Alkohol eine Rolle. Nicht selten sind auch alleinerziehende Frauen betroffen, die mit der Situation nicht fertig würden. Oft kooperieren die Überprüften trotz des Besuches vom Jugendamt nicht. 'Wir bieten eine Reihe von Hilfen an. Zum Beispiel Sozialpädagogen, die den Alltag der betreffenden Familie strukturieren, sich ein Bild von der Lage der Kinder machen und Erziehungshilfen anbieten.' Wird diese Hilfe abgelehnt, wird das Kaufbeurer Familiengericht eingeschaltet. 'Wer sich absolut weigert, zu kooperieren, dem kann das Sorgerecht entzogen werden.'

    Kein Interesse an den Kindern Das kommt so manchen Eltern wiederum gerade recht: 'Zu uns kam eine Frau ins Amt, wollte uns ihr Kind geben und sagte: Da, nehmen Sie es', meint Uhrle kopfschüttelnd. Andere wiederum hätten schlicht und ergreifend kein Interesse an den Kindern. Zwar gebe es vom Gesetzgeber das Ziel, Kinder wieder in die Ursprungsfamilie zurückzuführen. 'Aber das geht manchmal nicht, weil die Herkunftsfamilie faktisch gar nicht mehr existiert.'Ein anderes wichtiges Thema ist natürlich elterliche Gewalt an Kindern. Eine typische Ausrede sei: 'Er ist nur die Treppe runtergefallen.' Uhrle: 'Besteht offenkundig Gefahr für die Kinder, können wir sie auch sofort ohne einen Beschluss des Familiengerichtes mitnehmen. Der Beschluss wird dann nachgereicht.' Das Jugendamt sei auch hier auf Hinweise aus der Nachbarschaft, den Schulen oder Kindergärten angewiesen. 'Besteht für uns ein entsprechender, aber noch nicht ganz eindeutiger Verdacht, dann schalten wir das Gesundheitsamt ein und können von den Eltern verlangen, dass das Kind von einem Arzt untersucht wird.' Sonst werde wieder mit dem Familiengericht und einem Sorgerechtsentzug gedroht. 'Dass wir eine Untersuchung durch einen Arzt - zum Beispiel auch durch einen Kinderpsychiater - fordern müssen, kommt im Schnitt in Kaufbeuren fünf- bis sechsmal pro Jahr vor.'Abseits ganz krasser Fälle gebe es in der Stadt etwa 140 schwierige Fälle, bei denen die Eltern nach und nach sich doch bereit erklären, sich helfen zu lassen. Hier gebe es dann durch ambulante oder auch teilstationäre Hilfen mit der Zeit gute Erfolge. Sorge bereite Uhrle aber die Dunkelziffer, die zweifelsohne existiere. i Wer dem Kaufbeurer Jugendamt etwas Auffälliges im Zusammenhang mit der Versorgung von Kindern mitteilen will, kann dies unter (08341) 437-366 tun.

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