In der Vorwoche scheiterte der Ausstieg der bayerischen Hausärzte aus dem Kassenarztsystem. Nur 39 Prozent stimmten dem Vorhaben beim Treffen der Hausärzte in Nürnberg zu. Wir befragten Dr. Markus Strieder, Sprecher der Marktoberdorfer Hausärzte, zu seiner Enttäuschung und dazu, wie es nun weitergehen soll.
Herr Dr. Strieder, wie groß ist Ihre Enttäuschung über den gescheiterten Ausstieg?
Strieder: Ich bin schon sehr enttäuscht, aber ich habe befürchtet, dass es nicht zum Ausstieg kommt. Viele wollten einfach das große Risiko des Ausstiegs nicht tragen und auch waren nicht alle so weitsichtig. Um die Qualität der Versorgung zu erhalten, wäre der Ausstieg aber notwendig gewesen. Auf die Patienten werden nun zunehmend größere Einschnitte zukommen.
Sehen Sie das Ganze als ein trauriges Kapitel?
Strieder: Es ist traurig, dass sich die politischen Rahmenbedingungen nicht verbessert haben und es nun nicht möglich ist, dass alle Kassenpatienten gleich behandelt werden. Bei weniger Bürokratie wäre mehr Zeit für die Patienten geblieben. Von den Patienten haben wird viel Rückhalt bekommen. Viele haben gesehen, dass wir es nicht nur für uns tun, sondern auch zu ihrem Wohl.
Warum hat es mit dem Ausstieg nicht geklappt?
Strieder: Einige haben eben kalte Füße bekommen und sich auch von den Drohungen der Kassen und der Politik einschüchtern lassen. Die massive Einmischung der Politik hat viele abgeschreckt.
Gerade ältere Ärzte, die bald in Ruhestand gehen, haben sich wohl auch gedacht: "Was soll ich mir jetzt noch Ärger einhandeln?" Von den jungen Ärzten wären viele ausgestiegen.
Wie geht es nun weiter?
Strieder: Die Sache mit dem Ausstieg ist meines Erachtens nach erstmal vom Tisch. Wir sind weiter in einem System gefangen und Politik und Kassen können uns vorschreiben, was sie wollen. Ich hoffe, dass nun neue Hausarztverträge geschlossen werden. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) wurde neu gewählt und die Hausärzte werden darin 21 von 50 Stimmen haben. Viele Fachärzte sind außerdem solidarisch, weil sie auch eine Gefahr für sich sehen. Wir werden uns auf jeden Fall um eine qualitativ hochwertige Medizin und eine flächendeckende hausärztliche Versorgung in Deutschland bemühen.
Die KV muss den Politikern klarmachen, dass der Bevölkerung nichts Gutes getan wird, wenn es so weiter geht, wie es jetzt ist. Vielleicht kommt auch aus der Bevölkerung eine Initiative, die sich für eine humane und wirtschaftlich unabhängige medizinische Versorgung einsetzt. Manche Ärzte überlegen sich jedenfalls derzeit, ins Ausland zu gehen, falls sich nichts ändert.
Vor kurzem sagten Sie, dass die Zustimmung zum Ausstieg in Marktoberdorf sehr hoch ist. Wissen Sie, wie sich Ihre Kollegen bei der Abstimmung verhalten haben?
Strieder: Zwei Hausärzte in Marktoberdorf hatten sich meines Wissens gegen den Ausstieg entschieden. Im gesamten Ostallgäu lag die Zustimmung bei 47 Prozent. Ein sehr hoher Anteil, wie ich finde. Schließlich waren die restlichen 53 Prozent ja nicht dagegen, sondern haben sich nur nicht entscheiden können - bei den Drohungen verständlich, denke ich. Grundsätzlich haben wir in Marktoberdorf eine hohe Solidarität unter den Hausärzten, keiner arbeitet hier gegen den anderen. Bei dem Aktionstag haben wir Kollegen aus dem Ostallgäu uns zudem besser kennengelernt. Interview: B. Schäling
Dr. Markus Strieder ist Sprecher der Marktoberdorfer Hausärzte. Er war ein Befürworter des Ausstiegs aus dem Kassenarztsystem.