Im beschaulichen Füssen lebt eine sektenähnliche Gemeinschaft: Der Anführer manipuliert die Mitglieder, die ihn wie Kinder als ihren "Papa" verehren, und hält nichts von klassischen Zweierbeziehungen. Das ist - überspitzt formuliert - die Kernaussage eines Beitrags des Bayerischen Fernsehens über den Wankmiller-Clan, der am Sonntag lief. "Es gab keine neuen Aspekte", kommentiert der evangelische Pfarrer Joachim Spengler den Beitrag. "Enttäuscht" ist Harald Vauk, der in der Sendung selbst zu Wort kam: "Die Botschaft, dass es wünschenswert wäre, gerade auf Jugendliche und Aussteiger zuzugehen und zumindest ein Nebeneinander zu ermöglichen, kam zu kurz."
Auslöser für den nur wenige Minuten langen Beitrag war der Suizid einer Frau, die zum Führungskreis des Clans gezählt wurde und die sich von der Marienbrücke gestürzt hatte. Auf die Frage nach dem Warum konnten aber auch die Fernsehmacher keine endgültige Antwort liefern. Auch auf die Situation für Aussteiger ging der Beitrag ein. Es sei extrem schwierig, den Stamm der Likatier - wie sich die Gruppe um Wolfgang Wankmiller bezeichnet - zu verlassen, hieß es: Denn jeder, der dem Clan einmal nahegestanden habe, werde in Füssen "geächtet", finde keine Arbeitsstelle.
Diese starren Fronten will Harald Vauk aufbrechen. "Die Menschen, die aufgrund der irreführenden Werbung im Internet zum Stamm gekommen sind und nach einiger Zeit wieder aussteigen wollen, sollen nicht gemobbt werden", sagt er. Zumal die Aussteiger so nur wieder in den Stamm zurückgeführt würden.
Dass ehemalige Likatier in Füssen keine Arbeitsstelle bekommen, kann Bürgermeister Paul Iacob "nicht bestätigen", ihm sei bisher kein solcher Fall vorgetragen worden. Der Rathaus-Chef spricht sich für eine tolerante Haltung zum Stamm aus - sofern dort keine Straftaten begangen werden. Für ihn ist wichtig: "Ich erwarte, dass jeder, der raus will, auch diese Freiheit bekommt. Man darf die Freiheit Einzelner nicht einschränken." Aber auch die Füssener sollten den Aussteigern keine Probleme machen.
Füssener sind vorsichtig
Pfarrer Spengler weiß freilich, dass viele Füssener vorsichtig werden, "wenn der Name Wankmiller fällt". Zumal es eine lange Vorgeschichte gebe und die Gruppe früher Parteien und andere Institutionen zu unterwandern versucht habe. Für den Geistlichen ist klar: "Das System, das dort gelebt wird, schafft Strukturen, die zu Abhängigkeiten führen." Dies erschwere den Ausstieg - gerade für die, die außerhalb des Stammes kein soziales Umfeld in Füssen haben, da sie aus anderen Teilen Deutschlands stammen. Für ihn wäre es wichtig, wenn man den Mantel des Schweigens beim Thema Likatier lüften würde. "Was steht für Wankmiller? Über die Inhalte müsste man in Füssen offen und ehrlich diskutieren."
Entgegen seiner ursprünglichen Einschätzung beurteilt Peter Wieland von der "Füssener Initiative für Sektenaufklärung und Hilfe" (Fisch) den Beitrag eher positiv: Er sei geeignet, die Füssener wieder wachzurütteln - denn die Sekte sei nach wie vor aktiv. Allerdings: Aussteigern werde eine räumliche Distanz zu Füssen empfohlen. Denn die Stammesmitglieder "üben einen starken Druck auf solche Leute aus".