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Nicht immer trägt er den Samt-Umhang

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Nicht immer trägt er den Samt-Umhang

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    Von Freddy Schissler Kempten - Der Mann ist angesagt, keine Frage. Beweise? Bitte schön: Seit Mitte Februar diesen Jahre ist Xavier Naidoo auf Tour, weit über 300 000 Fans haben ihn dabei gehört, und oft meldeten die Veranstalter ein ausverkauftes Haus. In den LP-Charts erklomm das Album 'Telegramm für X' sofort Platz eins und verkaufte sich bereits über 600 000 Mal. Für viele ist er der erfolgreichste deutsche Popstar der vergangenen Jahre - und in Bregenz und Kempten feierten ihn am Dienstag- und am Mittwochabend bei gerade mal zehn Grad Celsius immerhin jeweils 5000 Fans. Ob der Sohn eines südafrikanischen Mechanikers, der heute Abend schon wieder im österreichischen Graz zum Mikrophon greift, zurecht ganz oben auf der Hitliste der deutschen Popsänger steht?Eine - wohlgemerkt subjektive - Analyse nach dem zweistündigen Allgäu-Open-Air auf dem Residenzplatz in Kempten. q Naidoos Band: Erstklassige und viele Musiker (über 10) kann sich der 34-Jährige leisten. Mit dem Resultat: Der Sound ist ein satter, ein kräftiger, und dank eines Neil Palmer und Maze Leber (beide Keyboard), eines Ralf Gustke (Schlagzeug) und vor allem dank der stimmlich brillanten Background-Sängerinnen Yvonne Betz und Annette Marquard sind alle musikalischen Finessen möglich. Zum Beispiel jene, charakterlich eher sanften Liedern an manchen Stellen eine nicht erwartete Spannung zu geben - für die nicht zuletzt die Bläser wie Ben Abarbanel-Wolff (Saxophon) und Stu Krause (Trompete) verantwortlich zeichnen. q Naidoos Stimme: Soulig, sanft, kraftvoll, flexibel - sie füllt den Raum. Selbst beim Open-Air auf einem weitläufigen Kemptener Residenzplatz dringt sie dem Zuhörer mit Vehemenz ins Ohr. Nicht viele deutsche Popsänger sind mit einer so qualifizierten Stimme ausgestattet, wenngleich man sie sich an mancher Stelle noch zupackender wünscht, noch ein bisschen gospel-souliger. q Naidoos Musik: Sanft, fast melancholisch ist sie in ihrem Grundcharakter. Allerdings: Mitnichten kommt sie ausschließlich mit diesem Samtumhang daher. Da gibt es rhythmus-starke Songs, pfiffigen Funk, peppigen Rap oder ganz einfach karibischen Mitswing-Sound.

    Das Publikum erstarrt auch an diesem Abend im Allgäu nicht in Trauer-Trance oder wischt sich pausenlos die Tränen aus den Augen. Xavier Naidoos Musik setzt den Körper des Zuhörers durchaus in Bewegung - bei jung und etwas älter. Mit harmonischer Popmusik, die in ihrem Grundcharakter auf aggressives Potenzial verzichtet. Ob das musikalisch den Zeitgeist trifft? Gut möglich. q Naidoos Texte: Die sind akustisch nicht immer gut zu verstehen. Die Fans in den ersten Reihen haben kein Problem - sie kennen jedes Wort auswendig und beweisen es auch. Die anderen spitzen die Ohren, mitunter erfolglos. Vielleicht ist es besser so. Denn krude klingen die Texte bisweilen, und man wird das Gefühl nicht los, dass Naidoo sein Zwiegespräch mit Gott etwas überstrapaziert. q Naidoos Bühnenshow: In schlichtem Gewand steht der 34-Jährige auf der Bühne, und hätte er nicht eine getönte, lang gezogene Brille, würde er gänzlich unspektakulär vor einem stehen (seine einzige Extravaganz ist wohl das Auftreten hinter der Bühne - dort hält er die Leute betont auf Distanz). Und auch die Lichtshow hält sich in Grenzen - sie wirkt nicht übertrieben. Was seinen Bühnenauftritt wiederum sympathisch macht. Denn Naidoo vermittelt das Gefühl: 'He Leute, mir kommt es vor allem auf die Musik an'. q Fazit nach dem Allgäu-Open-Air: Xavier Naidoo ist der Erfolg und die Spitzenposition in den Charts nicht zugeflogen. Seine Stimme ist erstklassig, seine Band auch.

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