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Nein, dieses Unkraut fress ich nicht

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Nein, dieses Unkraut fress ich nicht

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    Anschauungsunterricht am Leinauer Hang: Wie weidende Kühe Wiesen verändern. Von Erhard Heinzmann Kaufbeuren Der Kontrast am Leinauer Hang oberhalb der Alten Poststraße sticht in die Augen: Auf der in diesem Jahr noch nicht gemähten Fläche eine Fülle großer und kleiner Gräser, die sich im Wind sanft bewegen, dazwischen einige Blumen. Gleich anschließend im Bereich unterhalb der Höfelmayr-Kapelle, mit Stacheldraht umzäunt, eine weitgehend abgegraste Wiese, auf der aber unzählige, fast einen Meter hohe gelbblühende stengelige Kräuter stehen.

    Den nahe liegenden Verdacht, dass die explosionsartige Vermehrung auf dem privaten Hangstück mit den Fressgewohnheiten der drei Kühe auf diesem Teil des Hangs zusammenhängt, bestätigt Erwin Schuster, Leiter der Stadtgärtnerei. 'Es handelt sich entweder um das Alpengreiskraut oder das Jakobsgreiskraut', sagt er nach einem Augenschein, 'beide enthalten giftige Alkaloide.'

    Ein Vergleich der Blätter mit einer Abbildung in einem botanischen Buch ergibt die endgültige Bestimmung: Jakobsgreiskraut (senecio jacobea). Der Namensbestandteil Jakob kommt daher, dass die Hauptblütezeit um den 25. Juli herum, dem Jakobstag, liegt. 'Greis' hat nichts mit 'alter Mann' zu tun, sondern ist eine alte Form von 'Kreuz', das im Bayerischen meist 'Greiz' gesprochen wird.

    Was aber lässt die Kühe auf dieser Weide gleichsam sagen 'Nein, dieses Unkraut fress ich nicht'? Landwirtschaftsoberrat Johann Miller: 'Wir dürfen uns nicht vorstellen, dass Rindviecher so dumm sind, dass sie nicht wissen, was sie fressen.' Es sei zwar nicht genetisch programmiert, was einer Kuh schmecke, erklärt der Experte vom Kaufbeurer Landwirtschaftsamt. Aber mit ihrem Geruchs- und Geschmacksorgan, das ungefähr siebenmal besser als das eines Menschen sei, könne die Kuh sehr gut auf einer Wiese unter den Pflanzen auswählen.

    Rauschähnliche Zustände

    Alkaloide werden laut einschlägigem Lexikon die 'wirksamen Inhaltsstoffe von Heilpflanzen' genannt. Sie beeinflussen das Nervensystem und können 'zum Teil rauschähnliche Zustände hervorrufen'. Unter den rund 1300 Arten von Greis- oder Kreuzkräutern, die man kennt, wurden und werden einige in kleiner Dosis für Heilzwecke eingesetzt. Stadtgärtner Schuster vermutet, dass die Kühe das Jakobsgreiskraut wegen der Bitterstoffe in den Alkaloiden nicht mögen. Da die Gräser ringsum weggefressen sind, erhält das Unkraut, anders als auf dem ungemähten städtischen Hang nebenan, wo es mehr Konkurrenz gibt, ideale Bedingungen für das Wachsen und die Verbreitung des Samens, den die Kühe in den Boden treten.

    Fachberater Miller kann sich vorstellen, dass eine junge Kuh mal aus Neugier etwas vom Jakobsgreiskraut frisst, dann aber nie mehr. Die theoretische Frage, ob er sich auch vorstellen könne, dass Kühe aus der Art schlagen und das Jakobsgreiskraut gerade wegen der 'rauschähnlichen Zustände' in Massen fressen, lässt er lachend unbeantwortet.

    Selbst wenn aber eine Kuh Gefallen an dem Kraut fände, würde man dies ihrer Milch nicht anmerken. Gerhard Bucher, nebenberuflich 2. Bürgermeister von Kaufbeuren und hauptberuflich Experte vom Milchprüfdienst der Allgäuer Herdebuchgesellschaft: 'Von den Inhaltsstoffen einer Milch her kann man keine Rückschlüsse auf das Futter ziehen. Dass etwa Almweiden mit Blumen und Kräutern besonders gute Milch geben, ist meines Wissens durch Untersuchungen nicht belegt.'

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