Täter im Pfarrhaus Priester versicherte: Bei Prozess freigesprochen. Von Jürgen Stöcker Balderschwang Der Rundfunksender 'Radio Horeb' im Oberallgäuer Balderschwang, der bislang eher als Geheimtipp unter streng religiösen Katholiken galt, erweckt seit gestern international das Interesse der Medien. Der örtliche Pfarrer und Radio-Chef Dr. Richard Kocher beschäftigte monatelang den vor wenigen Tagen von einem italienischen Gericht wegen politischen Mordes verurteilten Peter Paul Rainer (wir berichteten). Zeitweise wohnte er sogar im Pfarrhaus. Bürgermeister Alfons Bilgeri, der durch ein anonymes Fax auf Rainer aufmerksam gemacht worden war, rechtfertigte gestern, warum er nichts unternommen hat: Als Pfarrer Kocher ihm versichert habe, dass der Mann in einem Berufungsverfahren freigesprochen worden war, habe er keine Veranlassung gesehen, die Polizei einzuschalten.
Rainer hat nach dem Urteil eines italienischen Gerichts vom vergangenen Wochenende einen früheren Freund, den Landtagsabgeordneten der Freiheitlichen in Südtirol, nach politischen Zwistigkeiten im Streit erschossen. In einem vorangegangenen Verfahren war er tatsächlich freigesprochen worden.
Nach Kochers fester Überzeugung ist Rainer, Assistent für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck, unschuldig. 'Dr. Rainer ist ein hochtalentierter Mann, ein Phänomen,' schwärmte der Balderschwanger gestern. 'Er ist für die italiensischen Behörden gefährlicher als ein Bombenleger, weil er die Südtiroler Geschichte mit großem Intelekt aufarbeitete.' Der Verurteilte setzt sich seit langem für die Rückkehr Südtirols nach Österreich ein.
Die Polizei fahndete bislang ergebnislos nach Rainer, der am Wochenende aus Balderschwang flüchtete. Dort war er während seiner monatelangen Beschäftigung bei 'Radio Horeb' auch nicht polizeilich gemeldet.
Bürgermeister Bilgeri hat 'noch nie' eine Sendung dieses Privatradios gehört. Er ist jedoch 'außerordentlich froh' über die Existenz der modernen Rundfunkstation. Der Grund: Für die gut 100 Katholiken im Ort hätte die Diözese Augsburg sonst wohl kaum einen eigenen Pfarrer genehmigt.
Weshalb der Bischof trotz Personalknappheit vor Jahren so entschieden hat, erklärte Domkapitular Heigl: 'Der dort gegründete katholische Radioverein wollte Dr. Kocher als Programmdirektor. Uns war es recht, einen promovierten Theologen dafür die Nebentätigkeits-Genehmigung zu erteilen, um sicherzustellen, dass hier Radio auf dem Fundament der Kirchenlehre gemacht wird.' Der Sender sei unabhängig von der katholischen Kirche, rechtlich, personell sowie finanziell. Laut Kocher überweisen Spender Gelder auf Konten in Luxemburg, Österreich, Deutschland und der Schweiz. Der Pfarrer sollte aber für die Diözese dafür sorgen, dass sich keine radikalen Kirchenströmungen entfalten. Diese Sorge hatte die Amtskirche jedenfalls in der Gründungszeit des Senders. Zum Programm von 'Radio Horeb' meinte Heigl: 'Wenn dort Nachrichten von Radio Vatikan übernommen werden und Bischöfe sich zu Wort melden, wird´s wohl rechtens sein.'