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Mozart als Rokoko-Punk

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Mozart als Rokoko-Punk

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    Von Heinz-Josef Fröschen, Pfronten - Es ist kalt, steril kalt im Altenpflegeheim. Dort erinnert sich ein gewisser Antonio Salieri an die Zeit, als er mit einem der größten Genies der Musikgeschichte zusammentraf, nämlich Wolfgang Amadeus Mozart. Seinen Erinnerungen folgt ein Theaterstück von Peter Shaffer, das das Fränkisch-Schwäbische Städtetheater Dinkelsbühl im Pfrontener Pfarrheim auf die Bühne brachte. Salieri, damals ein renommierter Komponist, der am Hofe angestellt brav seine Arbeiten ablieferte, wurde mit einem aufmüpfigen, frechen, immer am Rande der Beleidigung tangierenden Jüngling konfrontiert. Seinen Stand als Nummer 1 der Komponisten machte der mehr als nur streitig. Salieri erinnert sich also daran, dass er es war, der durch seine Konfrontation mit Mozart diesen in gewisser Weise 'hoffähig' gemacht habe. Dieses Genie zeigt das Theaterstück in bis dato nicht bekannten Facetten. Zum Beispiel als kichernd-lüsterner Clown, der mit einer drallen Blondierten (Constanze, seine spätere Ehefrau) unter dem Tisch nascht und eindeutige Späßchen treibt. Das soll Mozart sein? Der Komponist so göttlicher Musik, so vulgär, obszön? Der Schöpfer so kristallklarer, traumhaft empfindsamer Sonaten und der 'Kleinen Nachtmusik' ein Rokoko-Punker? Schließlich: Dieser Dauersäufer in seinen Umnachtungen der Verfasser so heiterer, losgelöster, himmelstürmender Symphonien? Man glaubt es kaum, dass sich dies alles so abgespielt haben soll. Es sei denn, man erinnert sich an Milos Forman, der 1985 die Theatervorlage für einen sagenhaften Film nutzte, der acht Oscars und viele andere Preise absahnte.

    Natürlich können die Dinkelsbühler weit weniger Aufwand mit der Technik oder den Kostümen betreiben, als Milos Forman in seinem opulenten Film. Auch wurden die Musikbeispiele Mozartscher Kunst von der Anlage eingespielt. Dennoch haben alle, die sich den Theaterabend in Pfronten entgehen ließen, einiges versäumt. Wie die Schauspieler (wie immer - in mehrere Rollen schlüpfend, bis auf den Darsteller des Salieri - eindrucksvoll: Frank Piotraschke) ihre Charaktere trafen, war genauso exzellent und authentisch wie die jüngste Vorstellung in Pfronten, in der die 'Comedian Harmonists' interpretiert wurden. Maike Frank gestaltete die Partien der Pflegerin, der Hofdame und besonders erfrischend der Constanze Weber, der späteren Frau Mozart. Stefan Dick interpretierte neben kleineren Rollen besonders eindrucksvoll Kaiser Josef II. Andreas Peteratzinger glänzte insbesondere als Graf Orsini-Rosenberg. Überragend die Leistung Volker Metzgers als Mozart. Er muss den Film von Milos Forman und besonders Tom Hulce in der Titelrolle in sich aufgesogen haben! Trampelnder Beifall der Zuschauer belohnte die Protagonisten für einen wundervollen, ausgezeichneten Abend. Fragt sich nur, weshalb der immerhin mit etwa 500 Menschen zu füllende Pfarrsaal in Pfronten nur mit etwa 200 Zuschauern besetzt war. Theater dieser Qualität verdient ein ausverkauftes Haus. Dass neben den Abonnenten kaum zusätzliche auswärtige Besucher zu sichten waren, ist eigentlich nicht zu verstehen.

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