Irmgard Hopf nahm gerade ein Fußbad in der Wohnstube beim Kachelofen - im vermeintlich gemütlichen Eck des Herrgottswinkels gegenüber getraut sich das die 73-Jährige schon lange nicht mehr. Ihr 78-jähriger Ehemann Heinz saß gemächlich auf der Terrasse des blumenübersäten und geschindelten schmucken Bauernhauses, als es auf einmal fürchterlich rumpelte. Der "Mordsschlag" versetzte das Ehepaar im Blaichacher Ortsteil Gunzesried in Panik. Der Riesenschreck geschah schon öfters.
Das "Jägerhäusle", nur wenige Zentimeter neben der an dieser Stelle nur vier Meter breiten Kreisstraße OA 27 und am Anfang einer 180-Grad-Kurve gelegen, ist wieder einmal von einem Schwertransporter gerammt worden. Diesmal waren es keine Baumstämme von einem Holzlader oder der Aufbau eines hochragenden Viehwagen, wie schon so manches Mal in den letzten Jahren, sondern ein Lkw-Auflieger, der vorgefertigte Stahlbeton-Teile für die neue Hohe Brücke im Gunzesrieder Tal liefern sollte. Tags darauf hieß es lapidar, der Lkw sei unterwegs ein wenig angeeckt. Für Irmgard und Heinz Hopf im 400 Jahre bestehenden und damit vermutlich ältesten Haus von Gunzesried war dies allerdings keine Bagatelle. Wieder einmal breitete sich bei dem Ehepaar die schiere Angst aus, dass ihr Heim mit den paar Gästezimmern eines Tages noch total zusammengefahren wird.
Jüngst blieb es bei geschätzten 2500 Euro Sachschaden am Hauseck.
Massive Schutzplanken sind schon vor vielen Jahren direkt am denkmalgeschützten Gebäude eingerammt worden. Das hatte damals die Gemeinde, erledigt, als die Verbindung nach Gunzesried-Säge noch in ihre kommunale Zuständigkeit fiel. Die Puffer sind stark verbeult und zerkratzt, Beweise für unliebsame Begegnungen mit anderem Metall, das von Lastwagen. Armierte Eisenwinkel halten die schwarz gewordenen Schindeln am Hauseck zusammen und werden doch immer wieder abgerissen. Ein Verkehrsschild am Haus zeigt an, dass keine Fahrzeuge höher als 3,70 Meter passieren dürfen. Und doch wird immer wieder die Dachrinne heruntergerissen.
Früher war das nur eine Gasse und eine bescheidene Dorfstraße, die an der Gunzesrieder Sennerei, am Haus in der Talstraße und an der Kapelle gegenüber vorbeiführte. Das Ehepaar weiß, dass diese beschaulichen Zeiten nicht mehr wiederkehren. Auch Tochter Heidrun Hartmann, die in dem Haus mit Kante groß geworden ist, will die Zeit nicht mehr zurückdrehen. Die Familie verlangt aus ihrer Sicht nichts Unmögliches von den Behörden und bestätigt gern, dass all die bisherigen Schäden am Haus stets behoben worden seien, zumindest von den Verursachern, die nicht unerkannt entkamen.
Doch soll ruhig einmal die Öffentlichkeit erfahren, welch psychischen Belastungen ihre Eltern ausgesetzt seien, merkt Tochter Heidrun an. Quietschende Bremsen vorm Haus, und schon herrscht "die pure Angst", sagt Mutter Irmgard. Nun setzen die alteingesessenen Gunzesrieder Vertrauen in die Behörden, dass sich doch etwas zum Besseren wendet.
Landratsamt, Gemeinde und Polizei haben sich erst am vergangenen Freitag ein Bild an Ort und Stelle gemacht. Wie das Landratsamt gestern für seine Kreisstraße OA 24 bestätigte, will man nicht nur dafür sorgen, dass der neueste Schaden am Haus vom Schwertransport-Unternehmen umgehend beglichen wird. Sondern es wird amtlicherseits auch überlegt, wie die Gefahrenstelle zu entschärfen ist. Eine schnelle Lösung sei freilich nicht in Sicht, erklärt die Kreisbehörde.
Man müsse erst einmal alles prüfen. Dennoch haben die Bewohner ("Wir sind halt an einem blöden Eck") "das Gefühl, dass man uns ernst nimmt".