Am 1. Mai ist im Brauchtum endgültig Schluss mit Winter. Viele Oberallgäuer Vereine und Feuerwehren feiern dies mit dem Maibaumaufstellen und einem zünftigen "Tanz in den Mai". Die Immenstädter Trachtler "DÄlpler" müssen dieses Jahr wieder aufpassen, dass ihnen das gute Stück nicht geklaut wird.
Denn das kam in 25 Jahren, in denen sie den Baum "dem Ort zur Zier" aufstellen, bereits zwei Mal vor. Björn Walser kramt in einem Bretterverschlag hinter dem Vereinsheim in den Maibaum-Wappen. "So ein Verhau", stöhnt der Vorsitzende der "Älpler", die sich gerade für die große Feier vor der Königsegg-Schule vorbereiten. Dort darf jedes Jahr seit 1985 eine neue, fast 40 Meter hohe Fichte thronen und die letzten Wintergeister vertreiben.
Bis 1935 zierte der Traditionsbaum den Marienplatz, legte dann aber eine 50-jährige Pause ein, weil sich die Städtler den von der NSDAP erklärten "Reichsbrauchbesitz" nicht pflegen wollten, wie Christa Hagspiel, frühe Maibauminitiatorin der Älpler, berichtet. Wiederbelebt zur 625-Jahrfeier der Stadt musste der entrindete Zierbaum umziehen.
Denn: Die Verwaltung konnte sich "für den Standort Marienplatz nicht erwärmen", wie es in einem Schreiben vom damaligen Bürgermeister Bischoff an "DÄlpler" heißt. Der Adressat des Schreibens, Toni Hagspiel, ist der Großvater von Björn Walser, der immer noch in dem Bretterverschlag wurschtelt. Der riesige Kunstkranz über seinem Kopf erstrahlt in frischem Grün, der "Hingucker" auf dem Maibaum. "Naturkränze schauen schnell wüst aus", meint der 32-Jährige, der auf unkomplizierte Umsetzung baut.
Und so kommt der Baum zu seiner Bestimmung: Er wird im Stadtwald von der Feuerwehr geschlagen und mit der Seilwinde aus dem Wald gezogen. Ein Traktor schleppt den "Nachläufer" dann mit der tonnenschweren, entasteten Fichte zum Feuerwehrhaus und die Arbeit für die Älpler beginnt.
Walser: "Entrindet wird vor der Feuerwehr - ein riesen Dreck." Aber dann geht alles Ruck-Zuck: Kränze, Zunftwappen und grün-weiße Bänder dran, perfekt! Jetzt heißt es nur noch die Nacht überstehen. "Wir spielen Schafkopf beim Aufpassen, da geht die Zeit schon rum", verrät Walser die Strategie der Städtler. Dabei haben sie sich jahrelang aufs "Wegschließen" verlassen. Ein Trugschluss, denn mit Nachschlüsseln ist Steiner Jodlern und einer Eckartser Jugendgruppe der Geniestreich mit Bierablöse schon gelungen. "Das passiert uns nicht mehr", beteuert Walser.
Auf Nummer sicher geht der Verein auch beim Aufstellen: "Wir fixieren den Baum in einem festen Schuh mit zwei Bolzen, lupfen ihn mit dem Kranwagen und ziehen dann an den Stahlseilen mit einer Winde." Aufstellen mit Stangen wäre in der Stadt nicht möglich, meint Walser, denn wenn der Baum fast senkrecht steht, sei die Lage ohne Seile kritisch: Das tonnenschwere Holz könne in jede Richtung kippen und Mensch und Gebäude gefährden. Bei den Älplern gab es nur ein Mal eine brenzlige Situation: "Der Kranwagenfahrer hat das Seil zu früh entlastet - zack, da ist es gerissen, aber sonst ist Gott sei Dank nichts passiert." Bis Erntedank wird der massige Baum stehen, bis der Meistbietende Brennholz, Bretter oder eine Trophäe aus ihm macht.
"Da ist es", ruft Björn Walser aus dem Verschlag. Er hat bei der Suche in 22 Maibaumschildern endlich das Wappen der Brauereien gefunden. "Das wollen wir dieses Jahr an eine neue Zunft vergeben, weil wir keine Brauereien mehr im Städtle haben."