Von Tobias Schuhwerk Kempten - Hip Hop, Breakdance oder ganz einfach Freestyle: Zu den Tanzstilen von jungen Leuten findet Verena Müller nicht mehr so leicht Zugang: 'Für mich ist das mehr hüpfen als tanzen', gesteht die 74-Jährige, die seit über 50 Jahren selbst begeisterte Tänzerin ist. Doch auch wenn ihr manch ein moderner Tanzstil eigenartig vorkommt, verurteilen will sie 'die Jugend von heute' auf keinen Fall. Schließlich weiß Verena Müller noch zu genau, wie ärgerlich es sein kann, von einer älteren Tänzergeneration herablassend behandelt zu werden. In den 50er Jahren, als sie das Tanzfieber endgültig packte, war Rock'n'Roll der letzte Schrei. 'Bill Haleys ’Rock around the clock' - das war die Nummer, die uns Junge begeistert hat', erinnert sich die Seniorin. Doch als der Rock'n'Roll auch in den Tanzschulen aufkam, da durften sich die Allgäuerin und ihre Altersgenossen einiges anhören: 'Weg mit der Negermusik' - war eine der Parolen, die ihnen von den engstirnigen Altvorderen entgegenschlug. Zum Glück haben die sich nicht durchgesetzt. Sonst hätte das Ehepaar Verena und Helmut Müller heute nicht die volle Auswahl, wenn es sich jeden Donnerstag in der Kemptener Tanzschule 'Huber' auf dem Parkett austobt. 'Für uns ist Tanzen ein Sport.
Man wird ganz schön durcheinander gewirbelt - auch wenn man nicht mehr ganz so jung ist', sagen die Müllers, die das älteste Paar der Tanzschule sind und gerne den Beweis antreten, dass Alter nicht vor heißen Rhythmen schützt: Zu den Hits der Kult-Band Abba aus den 70er Jahren tanzt das Duo gelegentlich noch gerne Disco.Überhaupt schätzen sie die Lockerheit, mit der es heute in der Tanzschule zugeht. 'Die einen kommen elegant, die anderen leger in Jeans und Rolli. Jeder so, wie er mag', sagt Verena Müller, die bereits in der achten Klasse ('damals waren Petticoats noch in der Schule verboten') mit dem Tanzen begann. Ihr Mann, der früher in Kempten Stadtkapellmeister war, fing dagegen erst mit 55 Jahren an. Ein mutiger Schritt. Denn in Fachkreisen gilt die Faustregel: 'Gute Musiker sind schlechte Tänzer.' Sie seien zu sehr auf den Rhythmus fixiert, ihnen fehle die Lockerheit - heißt es. Und dann schwingt Helmut Müller, der auch schon eine Tanzkapelle leitete, mit seinen 80 Jahren übers Parkett: Geschmeidig, schrittsicher und mit strahlendem Lächeln. 'Es macht uns noch immer einen Riesenspaß', sagt das Ehepaar. Ob das die jungen Hip Hoper, Breakdancer und Freestyler von heute später auch einmal sagen werden…?