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Mit Herzlichkeit, Wärme, Tiefgang

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Mit Herzlichkeit, Wärme, Tiefgang

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    Wieskirche (wil): 'Ich fühl’s, es ist ein Wunder geschehn': Mit Herzlichkeit und Wärme lud Thekla Carola Wied die vielen Besucher am dritten Advent dazu ein, dem Geheimnis der Zufriedenheit wieder auf die Spur zu kommen. Von der milden Witterung begünstigt, konnten sie die Hochstimmung, die einen immer in der Wies umfängt, genießen und in aller Ruhe den Wies-Organisten Anton Guggemos hören. Wenn er mit seinen Variationen zu 'Macht hoch die Tür' beginnt , später das nahe Fest mit Schalmeienklang ankündigt und zum Ausklang Weihnachtslieder einfließen lässt, ist das allein schon die Fahrt, oft bis aus München, wert.

    Auch galt der Abend der Großartigkeit der deutschen Sprache - meist aus der Zeit, als die Feinheiten noch in langen Briefen formuliert wurden. Der Geschlossenheit des Programms war es dienlich, mit sicherem Gespür für literarische Qualität Hervorragendes allein aus deutscher Literatur aufzunehmen, das Weihnachtsfest hierzulande in den Mittelpunkt zu stellen .

    Wie 'Lichtsäulen' sah Adalbert Stifter die christlichen Feste, umständlich formuliert er für heutige Ohren. Anders Heinrich Heine, von dem die beliebte Schauspielerin nicht nur das bekannte Dreikönigsgedicht brachte. Im Brief an seinen Freund schildert Heine den Trubel in Hamburg vor 190 Jahren und beklagt die allzu frühe Weihnachtsstimmung. Allerdings schrieb man da den 14. Dezember. Theodor Fontane kam zu Wort, als er noch dürftig lebte mit der Aussicht auf Hungerleiden nach dem Fest. Noch armseliger, doch mit Mutterwitz gesegnet, erfand George Tabori eine skurrile Geschichte. Etwas getrübt war die ausdrucksstarke Rezitation durch den Nachhall in der Kirche.

    'Vom Tannenwalde steigen Düfte' - das wunderbare Gedicht Theodor Storms ergänzten sehr verschieden geartete Briefe. Einem prächtigen Fest im großen Husumer Haus folgte ein späterer Brief des Dichters, vielleicht in der Wahrhaftigkeit der Schilderung eindruckvollster Mittelpunkt der Lesung. Der Vater konnte das Geld für die zwei studierenden Söhne einfach nicht mehr aufbringen, hoffte, so schrieb er dem Sohn, nicht einen weiteren Kredit aufnehmen zu müssen. Trauriger noch das Kriegstrauma von Siegfried Lenz. Die schönsten Weihnachtsgedichte deutscher Sprache - Rilke 'Nacht der Herrlichkeit', Nietzsche 'Krähen schreien' und natürlich Eichendorff 'Markt und Straßen sind verlassen' - man darf sie ruhig wieder einmal bewusst in sich aufnehmen, sich vielleicht zum Schmökern verleiten lassen.

    Berliner Witz ist bei Salomo Friedländer , Paul Lindenberg , bitterer Witz bei Kurt Tucholsky zu finden. Die Wahl war bezeichnend, denn in ihren Lesungen spürt Thekla Carola Wied, die sich vom Oberflächlichen distanziert, auch immer die einst Verfolgten oder Totgeschwiegenen auf. Ein Zugeständnis an das Alpenländische machte sie in der Wieskirche, um mit einem Lächeln, dem 'Lächeln des Christkinds' von Karl Heinrich Waggerl, den Abend zu beschließen. Nachdenklich, erheitert und voll Anerkennung für die souveräne, engagierte Lesung dankte das Publikum mit großem Applaus.

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