Von Stefan Dosch, Kaufbeuren - Wer die 'Kehrseite eines Klischees' aufzeigen will, wie es das Motto des Kaufbeurer Jubiläumsprogramms zu Ludwig Ganghofers 150. Geburtstag verspricht, der muss erst einmal aufzeigen, was das Klischee denn eigentlich beinhaltet. Bei der Eröffnung der Veranstaltungsreihe im Kaufbeurer Stadttheater bekam man das Klischee sattsam vor Augen geführt: mächtige Hirschschädel mit weit ausragenden Geweihen an den seitlichen Wänden; ein Rednerpult, welches sehr der bayerischen Variante des stillen Örtchens glich; sowie ein Bühnenhintergrund mit weiter Aussicht über Berg und Tal. Diesen Ganghofer, das machte der Festakt vor geladenen Gästen klar, nehmen die Veranstalter des Jubiläumsprojekts keineswegs bierernst, sondern nähern sich ihm ab und zu auch 'mit einem Augenzwinkern' an, wie Astrid Pellengahr sagte. Dass der Schriftsteller Ganghofer das Klischee nach wie vor provoziert, hatte die Leiterin des Stadtmuseums, wie sie erzählte, erst vor einigen Tagen selbst erfahren: Ob sie denn, sei sie gefragt worden, zum Festakt im Dirndl erscheine? Die Anekdote - die Antwort auf die Frage lautete sichtbar: nein - leitete Pellengahrs Vorstellung eines soeben erschienen Buches ein, als dessen Herausgeberin sie fungiert und das den selben Titel trägt wie das gesamte Kaufbeurer Ganghofer-Projekt: 'Kehrseite eines Klischees'. Es ist die Begleitpublikation zur am Freitag beginnenden Ganghofer-Ausstellung im Kunsthaus und umfasst zehn Abhandlungen zu verschiedenen Aspekten von Ganghofers Leben und Werk. Außer auf Autoren und ihre Beiträge, deren Inhalte sie kurz vorstellte, verwies Pellengahr auch auf die zahlreichen Helfer, die das Erscheinen des Sammelbandes möglich gemacht hatten. Insbesondere hob sie den Kaufbeurer Heimatverein hervor, der durch die Tatsache, dass er das Buch seinen 1200 Mitgliedern als Jahresgabe zukommen lässt, einen wesentlichen Teil zur finanziellen Sicherung des Unternehmens beitrug. Verleger Josef Bauer überreichte das erste Exemplar des Buches an den Ganghofer-Enkel Jost Ganghofer, der ebenso wie zwei Dutzend weitere Nachfahren des Schriftstellers zum Festakt gekommen war. Zuvor hatte die Literaturwissenschaftlerin Gertrud Maria Rösch 'Das Phänomen Ganghofer' skizziert und Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse als Schirmherr der Jubiläumsveranstaltung ein Grußwort gesprochen.
Bosse zufolge zeigt die Projektreihe, dass Kaufbeuren seine Verpflichtung als Ganghofer-Stadt ernst nehme. Der OB erinnerte auch an den verstorbenen Egon Guggemos, der sich um die Erinnerung an Ganghofer sowie um den Anschub des Jubiläumsprojekts verdient gemacht habe. Zwischen den Redebeiträgen gab es Unterhaltsames durch Musik, Spiel und Tanz. Ein Trio mit Martin Klein, Julia Kuhn und Christoph Heerens trug zwei Lieder aus der Schauspielmusik zu Ganghofers 'Sommernacht' vor, Musik, die der mit Ganghofer bekannte Bernhard Stavenhagen komponiert hatte. Ferner brachten die Kulturwerkstatt-Mitglieder Franziska Theiner, Anna Bernhart und Altje Parbel mit deutlichem Bezug zum Ganghofer-Klischee 'Die Mär vom Edelweißkönig' szenisch zur Aufführung. Und den Schlusspunkt des Abends setzte die Tanzgruppe 'Boom Bass Tic' mit einem in Lederhosen geplattelten 'Boarischen Rausschmeißer'. Damit nicht genug des Augenzwinkerns in Richtung Ganghofer. An den Festakt schloss sich ein Buffet an, das ganz und gar dem Bayern-Klischee entsprach - mit Radi, Obatztem und Ganghofer-Bier. i Die Ganghofer-Publikation 'Kehrseite eines Klischees' ist erhältlich bei der Allgäuer Zeitung, beim Verkehrsverein sowie im Buchhandel. Zum Festakt konnte Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse (links) die beiden Ganghofer-Enkel Bernhard Horstmann und Jost Ganghofer (zweiter und dritter von rechts) mit ihren Ehefrauen begrüßen. Mitglieder der Kaufbeurer Kulturwerkstatt führten szenisch 'Die Mär vom Edelweißkönig' auf - mit deutlichem Bezug aufs Ganghofer-Klischee. Fotos: Mathias Wild