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Memminger Gericht entscheidet: Frauen dürfen in den Stadtbach "jucken"

Gleichberechtigung

Memminger Gericht entscheidet: Frauen dürfen in den Stadtbach "jucken"

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    Gewonnen: Klägerin Christiane Renz und ihre Anwältin Susann Bräcklein freuten sich nach der Urteilsverkündung.
    Gewonnen: Klägerin Christiane Renz und ihre Anwältin Susann Bräcklein freuten sich nach der Urteilsverkündung. Foto: Julian Hartmann

    Das Amtsgericht Memmingen hat am Montag entschieden: Frauen dürfen in Zukunft beim Memminger Fischertag in den Stadtbach "jucken". Über einen "Tick mehr Gleichberechtigung in Memmingen", freut sich die Klägerin Christiane Renz nach Verkündung des Urteils. Sie sei "super happy" und in ihrer Auffassung bestätigt, dass Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer. Auch von vielen Männer habe sie Unterstützung erhalten, betont Renz. 

    Steuer-Begünstigung und Aufweichung der Tradition

    Die Begründung von Richterin Katharina Erdt: Der Fischertagsverein sei gemeinnützig organisiert, werde also steuerlich begünstigt. Männer und Frauen zahlen gleichermaßen Steuern, daher sollen Frauen auch dieselben Rechte im Verein haben. Ein weiteres Argument: Die Tradition des Fischertags sei bereits zu aufgeweicht. Um das Argument der Tradition geltend zu machen, müsse der Fischertag auch traditionsgerecht ausgeübt werden.  Jedoch werde laut Erdt das Geschehen vom Mittelalter nicht mehr eins zu eins nachgespielt. Als Beispiel nennt sie, dass viele Männer mit Jeans und T-Shirts und nicht in einheitlicher, traditioneller Kleidung am Ausfischen mitmachen würden. Ein weiteres Beispiel: Auch Frauen sind heutzutage im Fischertagsverein tätig. "Das war im Mittelalter sicherlich nicht so", argumentiert die Richterin. 

    Vereinsrecht gegen Grundgesetz

    "Niemand darf wegen seines Geschlechtes (...) benachteiligt oder bevorzugt werden", heißt es im Artikel 3 des Grundgesetzes. Gleichzeitig dürfe jeder einen Verein so gründen "wie man möchte", meint Erdt. Die Einschränkung der Vereinsfreiheit sei allerdings dann möglich, wenn dem Verein eine "besondere soziale Bedeutung" zukomme oder er eine "Monopol-Stellung" innehabe. Beides sieht die Richterin beim Fischertagsverein gegeben. 

    Ausfischen zentrales Ereignis

    Die Argumentation, dass Frauen an allen weiteren Veranstaltungen des Fischertags teilnehmen könnten, nur nicht beim etwa 20-minütigen Ausfischen, ließ die Richterin nicht gelten. Das Ausfischen sei kein untergeordnetes Ereignis. So hätten Frauen bis jetzt auch keine Möglichkeit gehabt, den Titel "Firscherkönig" (bzw.: "Fischerkönigin") zu gewinnen.  Cristiane Renz ist seit über 30 Jahren Mitglied im Fischertagsverein. Zweimal hatte sie in der Delegiertenversammlung beantragt, dass auch Frauen in den Stadtbach jucken dürfen. Beide Male ist sie gescheitert. Im Frühjahr 2019 hatte die Frau danngegen den entsprechenden Artikel in der Vereinssatzung wegen Diskriminierung geklagt. Der Fischertagsverein hatte bereits vor dem Urteil angekündigt, in Berufung gehen zu wollen, falls Renz den Prozess gewinnen sollte.

    "Glücklicherweise ist diese Diskussion nun beendet."

    Der Memminger Oberbürgermeister Manfred Schilder äußerte sich in einer Mitteilung zu dem Urteil. Das Thema sei in den vergangenen Jahren in Memmingen emotional diskutiert worden und habe die Menschen der Stadt gespalten. "Glücklicherweise ist diese Diskussion nun beendet", erklärt Schilder. Das Urteil sei eine richtungsweisende Entscheidung. "Unser Heimatfest, der Memminger Fischertag, wird sich verändern, sollte das Urteil rechtskräftig werden", fügt der Oberbürgermeister hinzu.

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