Von Andreas Ellinger, Memmingen/Unterallgäu - Baader-Meinhof, die Entführung von Arbeitgeber-Präsident Hanns-Martin Schleyer, der deutsche Terror-Herbst vor 25 Jahren. 'Das war weit weg und spielte sich nur in Großstädten ab', werden viele denken, doch die Auswirkungen waren auch in Memmingen und Umgebung zu spüren. Man sah Polizisten mit Maschinenpistolen im Anschlag, im hiesigen Gefängnis saßen Unterstützer der Terrorszene und im Wirkungsbereich der Memminger Kripo wurde ein Terroristen-Versteck entdeckt. Es begann vor 40 Jahren: Die so genannten Münchner Krawalle zählten zu den Ereignissen, die die Einstellung der Bürger zu Polizei und Staat veränderten, erinnert sich Memmingens Leitender Oberstaatsanwalt Alfred Stoffel. 'Damals hatte die Polizei mit obrigkeitsstaatlichem Verhalten die Bürger gegen sich aufgebracht'. In den ständig wiederkehrenden Krawallen schaukelten sich die Emotionen immer weiter hoch. Davon wollte sich Stoffel selbst ein Bild machen. Doch an dem Tag, als er nach München fuhr, fielen die Krawalle aus. 'Weil es regnete', erinnert er sich. Viele Bürger begehrten weiter auf, sei es an den Universitäten oder beim Besuch des Schahs 1967. Knapp ein halbes Jahr später begann die Rote Armee Fraktion (RAF) mit Attentaten gegen Staat und Gesellschaft. Die Republik reagierte heftig. Polizisten aus ganz Deutschland wurden nach Berlin abkommandiert, um zum Beispiel die Terroristin Ulrike Meinhof zu beschatten. Unter ihnen war der Memminger Kripo-Mann Egon Hammer. 'Eine spannende Zeit', sagt er.
1977 ein Höhepunkt Einen Höhepunkt erreichte der Terror im Herbst 1977 mit der Entführung von Hanns-Martin Schleyer. Gerade als in Bonn über die Reaktion auf diese Tat diskutiert wurde, trafen sich zahlreiche hohe Vertreter aus Kirche und Politik zum Europatag in Ottobeuren. Darunter auch die Mitglieder des RAF-Krisenstabes Helmut Kohl und Franz Josef Strauß. Die Angst vor einem Attentat vor der Basilika war groß. Mit schweren Waffen ausgerüstete Sondereinheiten schützten die Prominenten, blickt Klaus Schmidt, heute stellvertretender Leiter der Memminger Kripo, zurück. Im Einsatz war dabei auch ein Beamter, der später den entführten Lufthansa-Jet 'Landshut' in Mogadischu mitgestürmt hat. Die Terrorjahre waren unangenehm für die Bürger. Bei den häufigen Kontrollen am Straßenrand trugen die Polizisten kugelsichere Westen und hatten Maschinenpistolen im Anschlag. Als eine Unterallgäuer Bäuerin zum ersten Mal in die Mündung einer solchen Waffe sah, bekam sie einen Schock und musste ärztlich behandelt werden, berichtet Schmidt. Nervosität herrschte auch im Memminger Gefängnis. Dort saßen zwei Unterstützer der Baader-Meinhof-Bande, ein Mann und eine Frau. Dr. Steffen Ewig zählte zu jenen, die regelmäßigen Kontakt zu der damals 24-jährigen Inhaftierten hatten. Er beschreibt die RAF-Anhängerin zwar als intelligent, aber engstirnig, was ihre politischen Ansichten anging. Sie habe Deutschland mit der Militärdiktatur Pinochets in Chile verglichen. 'Bei solchen Diskussionen fehlte ihr jeglicher Realitätssinn', sagt der pensionierte Lehrer, der an jener Münchner Privatschule unterrichtete, die auch der spätere Terrorist Andreas Baader besucht hatte. 'Im Unterricht hatte ich ihn allerdings nie', schränkt Ewig ein. Später gab es eine Kontaktsperre zwischen der Inhaftierten und Ewig sowie anderen Betreuungspersonen. Der Grund für die verschärften Sicherheitsmaßnahmen: Die Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe hatten sich im Gefängnis Stammheim erschossen. Das war gleichzeitig das Ende der ersten RAF-Generation. Damit war auch das mutmaßliche - nie benutzte - Versteck für die Terroristen überflüssig. Beamte der Memminger Kripo hatten es in ihrem Gebiet in der weiteren Umgebung von Memmingen entdeckt.