Für Jeremias Riezler stand von klein auf fest: Eines Tages wird er den elterlichen Betrieb, die Walserstuba in Riezlern, übernehmen. Weniger klar war dies für Mutter Ulrike - sie sei bass erstaunt gewesen, als der Sohn nach dem Abitur erklärte: "Was werd ich schon tun? Ich werde Wirt!" Das ist mehr als ein Jahrzehnt her - inzwischen steht die Betriebsübergabe bevor. Die Familie Riezler wird sich dabei am Pilotprojekt Betriebsnachfolge im Kleinwalsertal beteiligen - einer Initiative, die Familienunternehmen bei einer geregelten Betriebsübergabe unterstützen und damit deren Zukunft sichern soll (siehe Infokasten).
Auch Mutter Ulrike hatte einst den 1957 gegründeten Betrieb von ihren Eltern übernommen. Im Nachhinein sagt die 61-Jährige: "Kein einziges Mal hab ich die Entscheidung bereut." Über Jeremias Entschluss, in die elterlichen Fußstapfen zu treten, sei sie später überglücklich gewesen.
Der Sohn machte eine Kochlehre, ging dann auf die Hotelfachschule in Luzern und arbeitete bei Sterne-Koch Christian Henze und am Wörthersee. "Eine gute Ausbildung ist heute extrem wichtig", betont Ulrike Riezler. In den Ferien wollte sie dem Sohn vermitteln, dass der Wirtsberuf kein Zuckerschlecken sei, ließ ihn kräftig mit anpacken.
2005 fiel für Jeremias dann die Entscheidung, ins Kleinwalsertal heimzukehren. Sofort übertrugen ihm die Eltern die Verantwortung über Küche und Personal. "Man muss loslassen können", sagt Ulrike Riezler. Schließlich wisse sie: Der Betrieb laufe, auch wenn sie einmal nicht da sei. Jeremias fügt hinzu: "Gleichzeitig darf man der älteren Generation nicht alles wegnehmen." So betreut Vater Jodok stundenweise die Rezeption. Die Mutter ist nach wie vor für Zimmer und Waschküche zuständig und geht im Sommer mit den Gästen wandern. "Die Älteren können alle Bereiche abtreten - für die Stammgäste aber müssen sie weiter da sein", ist Jeremias überzeugt. 2007 stieg seine künftige Ehefrau Bettina als Restaurantchefin in den Betrieb ein.
Verschiedene Meinungen treffen aufeinander - etwa als Jeremias die Speisekarte ändern wollte weg von klassisch-bürgerlicher Küche hin zu Walser Produkten. "Wichtig ist da, miteinander zu reden", sagt Ulrike Riezler. Ihr Sohn ergänzt: "Und dann muss man klare Entscheidungen treffen, halbe Sachen bringen nichts." So setzte er etwa das von den Eltern lang diskutierte Hundeverbot im Restaurant durch, indem er kurzerhand ein Schild aufhängte.
Gemeinsam treten Mutter und Sohn meist bei der Bank auf. "Da darf man sich nichts gefallen lassen", betont Jeremias, sollte stets gut vorbereitet in die Gespräche gehen. "Kommen wir gemeinsam, sieht die Bank, dass ein Nachfolger da ist, dem die Zukunft des Betriebs wichtig ist", so seine Mutter.
Die 61-Jährige legt jetzt wert darauf, bis zur endgültigen Betriebsübergabe die Walserstuba auf eine solide Basis zu stellen - um Schulden abzubauen, hatten sie und ihr Mann noch ein Grundstück verkauft. "Vor einer Übergabe muss die ältere Generation die Finanzen offen legen, darf unter keinen Umständen Bilanzen schönen", sagt die Mutter. Für sie sei die offizielle Übergabe jetzt nur noch eine Formalie. Für Jeremias allerdings steht damit ein entscheidender Schritt bevor: "Jetzt bin ich noch vogelfrei, dann stehe in der vollen Verantwortung."