Von Jürgen Lutz|KemptenVaduz ist in Liechtenstein, soweit ok. Auch bei San Marino kommen keine großen Unklarheiten auf. Aber Torshavn? Da wird es schwieriger. Nicht für Matthias Fingerle (28) aus Kempten. Er kennt die Hauptstadt der Färöer nicht erst, seit die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Rahmen der Qualifikation zur Europameisterschaft 2004 in Portugal zweimal auf die Kick-Exoten aus dem hohen Norden getroffen sind.
Keine x-beliebigen Spiele
Fingerle ist - man staune - Fan der Färöer Nationalmannschaft, aber auch derer von San Marino, Liechtenstein und Russland. Und er hat ein Hobby: Groundhopping (siehe Wortweiser). 'Ich würde Hobby-Groundhopper sagen', so Fingerle. 'Ich fahre nicht zu irgendwelchen x-beliebigen Spielen nach England oder Tschechien, wie es extreme Groundhopper praktizieren. Denen ist egal, in welchem Stadion sie dann sind. Hauptsache, sie waren noch nicht da uns bekommen auch noch einen Länderpunkt.' Bei Fingerle verhält es sich etwas anders: Bei ihm Herzblut mit im Spiel. 'Ich fahre aus Interesse hin und schaue mir auch die Stadt an oder verbinde ein paar Tage Urlaub damit.' Aber an erster Stelle steht König Fußball. 'Ich bin Fan. Fußball begeistert mich - in jeder Hinsicht.'
Zu jeder Mannschaft hat Fingerle besondere Erlebnisse, die ihn zum Fan werden ließen:
Färöer: 'Als Österreich am 12. September 1990 durch ein Tor von Torkiel Nielsen gegen die Färöer 0:1 verloren hat.' Damals, als sich sogar ernstzunehmende Fußball-Experten über die Pleite der südlichen Nachbarn schief gelacht haben, entdeckte er seine Vorliebe für die Kicker aus der nördlichen Inselwelt. Die Färörer gehören zwar wie Grönland zu Dänemark, sind aber weitgehend autonom. Sein Lieblingsspieler ist Torhüter Jens Martin Knudsen - Der Mann mit der Mütze als Markenzeichen. 'Er ist mein Idol. Ein Vorbild auf dem Platz und außerhalb.' Als die Färöer am 16. Oktober 2002 in der EM-Qualifikation in Hannover mit 1:2 gegen Deutschland verloren haben, war das nationale Star-Ensemble nebst Trainer Rudi Völler wegen der eigene unterirdischen Leistung mächtig angefressen und lief nach dem Spiel kommentarlos an den Fans vorbei in den Mannschaftsbus. 'Ein paar Meter stand war der Bus der Färöer, allerdings ohne Zaun drum rum', erinnert sich Fingerle. Im Bus war Knudsen - am Handy. 'Als ihm der Busfahrer gesagt hat, dass ein Fan ein Autogramm will, stand er zehn Sekunden später vor mir'. Die Färöer haben 48500 Einwohner.
Lichtenstein: 'Internationale Spiele sind das Salz in der Suppe', sagt Fingerle. Und nichts liegt näher als das Fürstentum, wo regelmäßig Länderspiele stattfinden. Am 6. September 1997 war er das erste Mal in Vaduz, als es eine 1:8-Niederlage gegen Rumänien gab. Am 26. April 2000 war Fingerle dann Zeuge des 1:0 für die Färöer in Vaduz. 'Das Tor hat Uni Arge geschossen. Es war zwar ein grottenschlechtes Spiel, aber für mich war es ein Höhepunkt.' Obwohl die Qualität des Fußballs hohen Ansprüchen oft nicht genügt. 'Mich beeindruckt, was die Kleinen aus wenigen Mitteln machten. Ich habe höchsten Respekt, was die auf die Beine stellen.' Fingerle ist auch Fan des FC Vaduz. 'Aber erst, seit dem Aufstieg in die Nationalliga B', der damals mit dem aktuellen Trainer des FC Kempten, Uwe Wegmann, geschafft wurde. Liechtenstein hat 35000 Einwohner.
San Marino: 'Eine Mannschaft auf Augenhöhe', sagt Fingerle. Am 28. August 2003 war Fingerle beim EM-Qualifikationsspiel in Vaduz zwischen Liechtenstein und San Marino. Spiele der Fußball-Zwerge untereinander sind was Besonderes, weil es dann am wahrscheinlichsten ist, auch mal ein Spiel zu gewinnen. 'Es hat geschüttet. Nach 20 Minuten stand es 2:0 für Liechtenstein. Nach einer halben Stunde hat dann Alex Gasparoni mit dem Kopf das 1:2 erzielt.' Doch er schnappte sich danach nicht den Ball, um ihn schnell zur Mittellinie zu bringen um weiterzuspielen - wie es in der deutschen Bundesliga so Sitte ist. 'Er hat sich einfach nur hingesetzt und gestrahlt. Das fand ich so nett. Dem ist es nicht nur ums Ergebnis gegangen' Am 28. April 2004 ist Fingerle zum Länderspiel von San Marino gegen Liechtenstein nach Serravalle gefahren und durfte den ersten Sieg in der Geschichte von San Marino miterleben. 'Kapitän Andy Selva hat vor 200 Zuschauern das Tor zum 1:0 geschossen und ich war stolz, dabei gewesen zu sein.' San Marino hat 30000 Einwohner.
Russland: Ende der 80-er Jahre fand in Düsseldorf ein Vier-Länder-Turnier statt. Russland besiegte dabei den amtierenden Weltmeister Argentinien mit 4:2 'Die haben die richtig her gespielt', sagt Fingerle. 'Ich war begeistert. Das hatte übrigens nichts mit meiner politischen Einstellung zu tun', sagt er und lacht herzlich. 'Ich war ja erst zehn.' Russland - damals UdSSR - hat jetzt 142 Millionen Einwohner.
Und jetzt nach Modena
Ein klassischer Groundhopper ist Fingerle zwar nicht. Erst sieben Länderpunkte hat er auf seinem Konto: Deutschland, Liechtenstein, Schweiz, Luxemburg, Österreich, San Marino und Slowakei. 'Ich lege keinen Wert auf Rekorde. Bevor ich mir ein Spiel anschauen würde, das mich nicht die Bohne interessiert, fahre ich lieber nach Vaduz oder gehe auch mal zum FC Kempten.' Der achte Länderpunkt soll Italien werden. Am Mittwoch, 21. November, treffen die Azzurri im entscheidenden Spiel um die Qualifikation für die Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich in Modena auf die Färöer.
Vorher ist er noch in Bremen, bei Werder - seiner nationalen Liebe. Erst besucht er das Pokalspiel der zweiten Mannschaft gegen den FC Sankt Pauli, dann das Pokalspiel des Bundesligisten gegen den MSV Duisburg; wenn schon, denn schon.
Zum EM-Qualifikationsspiel gegen Island (3:0) vor kurzem ist Fingerle mit einem befreundeten Fan aus Krefeld gefahren. Den pensionierten Lehrer hat er in Luxemburg kennengelernt. Am nächsten Tag war er müde. Die Kollegen haben Verständnis, wenn er mal wieder weg war. Fingerle: 'Es lohnt sich. Es ist die Atmosphäre beim Fußball - die ist was Besonderes'