Brauchtum hat sich längst im Kemptener Land eingebürgert Volksfest mit Blasmusik Kempten/Oberallgäu (is). Wer vom 1. Mai hört, denkt vielleicht zuerst an die 'Freinacht' mit allerlei Schabernack (und leider auch Sachbeschädigungen). Doch gibt\'s noch einen anderen Brauch, der nicht weniger übersehbar, dafür aber erfreulicher ist: das Aufstellen eines Maibaumes.
Zu den typischen Allgäuer Bräuchen gehört er freilich nicht. Wenn man einst im Allgäu so in Dietmannsried und Altusried am 1. Mai einen 'Maien' aufsteckte, war damit ein vier bis fünf Meter hohes, sauber zugerichtetes, mit Bändern verziertes Bäumchen gemeint, mit dem die Burschen ihre Herzallerliebste erfreuten. In Weitnau band man noch um 1850, wie der Volkskundler Dr. Karl Reiser berichtet, um die Stange Birkengrün oder Zweige von Stachelbeerboschen und stellte sie vor dem Haus auf oder befestigte den Liebesgruß auf der Brunnensäule.
Ganz ohne (harmlosen) Schabernack ging\'s auch bei den Altvorderen nicht. Wollten Burschen Mädchen, die sie zum Narren gehalten hatten, eins auswischen, bauten sie einen 'wüeschten Maien' oder 'Trutzmaien' auf: einen Strohmann mit zerlumpten Kleidern und einer Schnapsflasche in der Hand, der dann viel Spott und Gelächter auslöste.
Import aus Oberbayern
Der Maibaum, wie man ihn heute im Allgäu kennt, dürfte erst nach 1900 aus dem Oberbayerischen in manche Orte 'zugewandert' sein. Ein paar Jahrzehnte später, als das Volkstum besonders hoch im Kurs stand (und für politische Zwecke herhalten musste), wurde er gewissermaßen zur Pflichtübung am 1. Mai, dem 'Tag der Arbeit'. Nach dem Zweiten Weltkrieg fasste das Brauchtum, aber jetzt ohne politischen Hintergrund, auch im Kemptener Land langsam Fuß und wird heute in zahlreichen Dörfern gepflegt.
Gruppen wie Landjugend oder Trachten- und Heimatvereine stellen am Vormittag des 1. Mai oder schon am Vorabend einen möglichst hohen Baum auf, geschmückt mit Girlanden und Symbolen von Handwerk und Vereinen sofern das Frühlingssymbol nicht zuvor aus seinem Versteck aufgespürt und in ein Nachbardorf 'entführt' worden ist, wo es nur mit Getränkespenden ausgelöst werden kann. Das Aufstellen gestaltet sich meist als Volksfest mit Blasmusik und Bewirtung. Ein Mai-Brauchtum, das sich im heimischen dörflichen Jahreskreis seinen Platz gesichert hat.