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Lob und Mitleid für Lena

Kempten

Lob und Mitleid für Lena

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    Lob und Mitleid für Lena
    Lob und Mitleid für Lena Foto: pg/tos

    "Oh my god, this is so crazy", ist einer der ersten Sätze die Lena Meyer-Landrut ins Mikrofon sagt, nachdem sie mit ihrem Lied "Satellite" den Eurovision Song Contest gewonnen hatte. Ja, crazy, verrückt, ist so manches, was über die kindliche 19-Jährige aus Hannover gesagt wird. "Lena Nazionale" schreibt beispielsweise Spiegel-Online und verweist auf ihren "charmanten Individualanarchismus", der die Herzen der Europäer erobert habe. Andere Medien vergleichen Lenas Erfolg gar mit dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 oder sogar mit dem Mauerfall von 1989. Die FAZ spricht von einem "Sommermärchen" und die seriöse Tagesschau bringt angesichts der Rückkehr der Heldin am Sonntagnachmittag eine Sonderausgabe. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich entzückt und spricht: "Sie ist ein wunderbarer Ausdruck des jungen Deutschlands." Aber was sagen Allgäuer Musik-Profis zu jener jungen Frau, die einen europäischen Schlagerwettbewerb gewonnen hat? Wie beurteilen sie den Trubel? Wir hörten uns um:

    "Echt cool"

    Debo & Mona von der Pop-Band Sternblut: "Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet und finds echt cool", sagt Debo (15). Der Song sei zwar nicht ganz ihr Geschmack, doch: "Lena macht Deutschland damit glücklich." Auch ihre Schwester Mona (16) zeigt sich begeistert: "Die anderen Sängerinnen haben auch ganz gut gesungen, aber Lena war was ganz Anderes." Mit den Eltern fieberten die Schwestern mit Lena mit. Könnten Sie sich vorstellen, beim Eurovision Song Contest mitzumachen? "Eher bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest, das wäre eher was für unsere Band", sagt Mona.

    Politik vereinnahmt Musik

    Rainer von Vielen: "Der Song und der Auftritt von Lena waren ganz nett", sagt der Sänger und Alternative-Musiker aus Altusried (Oberallgäu), der eigentlich Rainer Hartmann heißt. Jedoch sei das Wettbewerbskonzept "verabscheuungswürdig". "Die Politik vereinnahmt die Musik, die zur nationalen Sache gemacht wird, das finde ich ganz merkwürdig." Eigentlich sei das Ganze eine "Lachnummer." Denn die Musik werde vor allem auf Äußerlichkeiten und Show reduziert. Fasziniert zeigt sich der Musiker, "wie berechenbar das Ganze am Ende war." Dass jetzt aber noch überlegt werde, Lena das Bundesverdienstkreuz zu verleihen, sei "total überzogen und übertrieben." In dieser Hinsicht tue ihm Lena leid. "Ich hoffe, sie übersteht diese Maschinerie ohne Blessuren."

    Zauberhafter Charme

    Inka Kuchler: "Lena hat einen zauberhaften Charme, der die Menschen berührt", sagt die Sängerin, die mit Irene Schindele das Allgäuer Folk-Pop-Gruppe "Vivid Curls" bildet. In den letzten Jahren hatte sie den Wettbewerb nicht mehr angeschaut, weil es weniger um die Musik ging. "Stefan Raab hat aber das Niveau wieder angehoben." Mit Lena würde die Kemptenerin nicht tauschen wollen. "Ich möchte normal in die Stadt gehen und in Ruhe ein Eis essen, Lena kann dies jetzt wohl nicht mehr."

    Natürlichkeit war auch trainiert

    Deville Schober: "Lena hat voll verdient gewonnen", urteilt der Chef der Firma Brainstorm Music Marketing aus Bad Hindelang, die sich um die Präsentation von Musikkünstlern kümmert. Dabei geht es etwa um Gesangs- und Interviewtraining oder Choreographie.

    Brainstorm auch im Marketingbereich Bands wie U2, Radiohead oder Rammstein und Künstler wie Robbie Williams, Eminem, Amy Winehouse betreut. "Lenas Natürlichkeit war die Summe vieler Trainings", glaubt Schober. Dass sie 2011 wieder antreten soll, hält er für keine gute Idee. Schober: "Man soll anderen jungen Talenten eine Chance geben."

    Wo ist das Deutsche?

    Regine Sauter: Für die Sängerin der Band "Voice 4U" und Inhaberin einer Gesangsschule in Weißenhorn und Kempten, ist der Wettbewerb "nicht mehr das, was er einmal war." Sie bedauert, dass nicht mehr deutsch gesungen werde und die Songs nicht mehr von deutschen Komponisten stammen. "Mit Musik hat das Ganze eigentlich wenig zu tun", kritisiert sie.

    Rummel ein bisschen überzogen

    Thomas Wohlfahrt: Lena habe sich "cool und ohne große Nervosität" präsentiert und sei "ein schönes Vorbild für die Jugend", sagt der Zweite der Sat1-Casting-Show "Star Search" von 2003. Der Rummel um ihre Person sei aber "ein bisschen überzogen", betont der 37-Jährige aus Dietmannsried (Oberallgäu). Als Sänger der Gruppe "Allgäu Power" wird er Lenas Siegerlied "Satellite" ins Repertoire aufnehmen. "Das ist ein Muss. Ich werde es in ihrer Tonlage singen - aber natürlich ohne ihre Show."

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