Von Michael Munkler |Kempten/GrindelwaldWieder einmal steht sie im Rampenlicht, nachdem sie genau vor 70 Jahren - 1938 - von dem inzwischen verstorbenen Oberstdorfer Anderl Heckmair erstbegangen wurde: die Eiger Nordwand im Berner Oberland. Das neue Eiger-Drama ("Nordwand") von Regisseur Philipp Stölzl sowie Benno Fürmann, Johanna Wokalek und Florian Lukas in den Hauptrollen kommt demnächst in die Kinos. Reger Andrang herrschte am Dienstagabend bei einer Preview-Vorführung im Kemptener Colosseum-Kino.
Der Film "Nordwand" erzählt die Tragödie, die sich am Eiger 1936 ereignet hatte. Nicht zuletzt von Hitlers Propaganda animiert wagen sich zwei junge Deutsche aus Berchtesgaden in die bis dahin unbestiegene Wand: Toni Kurz (gespielt von Benno Fürmann) und Andi Hinterstoisser (Florian Lukas). Verwoben ist das Bergdrama mit einer fiktiven, nicht auf historischen Tatsachen beruhenden Liebesgeschichte: Die junge Journalistin Luise (Johanna Wokalek) zittert vor Ort um ihre Jugendliebe Toni Kurz in der Wand der Wände. Der gemeinsame Aufstieg mit den Österreichern Willy Angerer und Edi Rainer endet nach einem Wettersturz in einer Katastrophe. Als letzter stirbt Kurz wenige Meter von seinen Rettern und Luise entfernt im Seil hängend. "Ich kann nicht mehr", sind seine letzten Worte.
Die Geschichte ist bekannt. Bergfilmer Gerhard Baur (61) aus dem Oberallgäuer Sulzberg hat das Hinterstoisser/Kurz-Drama bereits 1981 verfilmt mit dem Titel "Der Weg ist das Ziel - Eiger-Nordwand". Anders als der jetzige Spielfilm, der zum Großteil in einem Grazer Kühlhaus gedreht wurde, war Baur mit seinem Team an Originalschauplätzen in der Wand unterwegs - vielfach unter schwierigsten Verhältnissen. Der mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnete Baur ist in seinen Spieldokumentationen stets um Authentizität bemüht: "Ich bleibe ganz nah an der Realität."
Das trifft auch für seine im Jahr 2000 gedrehte Eiger-Nordwand-Dokumentation zu, die das Drama zweier junger Kemptener Bergsteiger schildert. Thomas Burger und Holger Wendel überlebten einen Wettersturz in der Wand und acht Biwaknächte bei eisigen Temperaturen. Baur war seinerzeit selbst am Eiger und hatte die Retter alarmiert. Wer also hätte den Stoff authentischer verfilmen können?
Warum immer wieder der Mythos Eiger-Nordwand, wo es doch so viele Berge mit berühmten Wänden gibt? "Kein Berg stand je so sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit wie der Eiger", antwortet Baur. Von den altehrwürdigen Hotels auf der Kleinen Scheidegg lassen sich die Kletterer wie auf einem Präsentierteller in der "Mordwand" beobachten. "Das hat auch zu dem ungewöhnlich großen Medieninteresse geführt", so Baur.
Anders als im Film gezeigt, habe dieses aber erst mit der Erstbestiegung im Sommer 1938 eingesetzt.
Zu denjenigen, die sich in Kempten den Film am Dienstag erstmals anschauten, gehörte auch Gaby Funk, Bergbuch-Autorin, Journalistin und Expertin für alpine Geschichte aus Oy-Mittelberg. Der Film "Nordwand" sei "in großen Teilen authentisch", sagt sie. Aber: Am Schluss hätten sich gravierende Fehler eingeschlichen. Beispielsweise seien Luises Versuche, in die Wand zu Toni vorzudringen, unrealistisch, ja "völlig absurd". Falsch sei auch die filmische Darstellung, Hinterstoisser habe angesichts der Ausweglosigkeit der Situation in der Wand das Seil selbst abgeschnitten.
Derlei historischen Unstimmigkeiten stehen nach Meinung der Alpin-Historikerin durchaus gute schauspielerische Leistungen gegenüber - zum Beispiel von Johanna Wokalek.