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Leckere Gerichte und Trunkenbolde

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Leckere Gerichte und Trunkenbolde

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    Von unserem Redaktionsmitglied Klaus-Peter Mayr, Kempten/Lindau/Füssen/Pfronten - Die französische Küche genießt heutzutage einen glänzenden Ruf. Dort werde am feinsten gekocht, sagen die Gourmets und fügen gerne an, dass man dies - von Ausnahmen abgesehen - für deutsche Lande nicht sagen könne. In früheren Jahrhunderten muss das anders gewesen sein - glaubt man zumindest einem gebildeten, weitgereisten französischen Schriftsteller und Philosophen: Michel de Montaigne (1533 - 1592). Der Edelmann aus Bordeaux musste es wissen, unternahm er doch in den Jahren 1580/81 seine berüumte Europareise, die ihn von Frankreich über die Schweiz, Deutschland, Österreich nach Italien und zurück führte. Auch das Bodensee-Gebiet und das Allgäu durchquerte er - und machte dabei Entdeckungen, die staunen lassen. Denn kaum hatte der berühmte Mann mit seinem Gefolge (Edelleute, Diener) von Konstanz kommend Lindau erreicht und im Gasthaus 'Krone' Quartier genommen, so fängt er auch schon an, vom deutschen Essen in höchsten Tönen zu schwärmen. 'Was die Bewirtung angeht, tischen die Deutschen einem Topfgerichte, Soßen und Salate in uns ungewohnter Fülle und Reichhaltigkeit auf', notierte er in seinem Reisetagebuch, das nun in einer neuen, vorbildlichen Übersetzung im Eichborn-Verlag erschienen ist. Das deutsche Essen besitze einen derartigen Wohlgeschmack, so Montaigne weiter, 'dass die Küche des französischen Adels kaum damit zu vergleichen sei'. Auch seien die Speisesäle sehr schön ausgestattet. 'Wir haben nie zuvor so delikate Gerichte gegessen, wie sie dort gang und gäbe sind'. Offenbar hat man seinerzeit auch mal die Suppe nach dem Braten serviert. Und in einem waren die Deutschen den Franzosen auch voraus, schenkt man Montaigne Glauben: Man trank hier den Wein ohne Wasser.

    Ansehnliche Gasthöfe De Montaigne war ein neugieriger Humanist. Seine Reise, die eineinhalb Jahre dauerte, diente seiner Erkenntnissuche. Er schaute genau hin, redete mit vielen Menschen, verglich, zog Schlüsse. Ein Wissenschaftler der Renaissance. Mit großer Neugier nahm der Katholik Montaigne beispielsweise die Kirchenspaltung in Deutschland war, will fast in jeder Stadt wissen, wieviele evangelische, wieviele katholische Gläubige es gibt, besucht Kirchen, Klöster und Geistliche. Kempten, so erfahren die Leser, war zu jener Zeit lutherisch. Montaigne, der im heute nicht mehr existierenden 'Bären' abstieg und die Stadt samt Abtei anschaute, spendiert viel Lob ('sehr schön, reich an Bevölkerung und ansehnlichen Gasthöfen'). Lang hielt sich Montaigne allerdings nicht in Kempten auf, einen Abend und einen Vormittag. Nach dem Mittagessen machte sich sein Troß auf Richtung Pfronten - wo der Edelmann eine dürftige Unterkunft mit reichlichem Essen vorfand. Zudem sei leider der Brauch unbekannt, vorm Schlafengehen das Bettzeug und vor dem Aufstehen die Kleider zu wärmen. Von Pfronten aus wollte der Europareisende ursprünglich den kürzesten Weg nach Trient nehmen, vermutlich also über den Fernpass reiten. Doch plötzlich änderte er seine Route - 'um bestimmte schöne Städte Deutschlands zu besichtigen'. Montaigne reiste weiter nach Füssen. Am Lech verstauten sie das Gepäck auf einem Floß und fuhren auf dem Fluß weiter nach Augburg, für Montaigne die schönste Stadt Deutschlands. Wichtig war für einen Reisenden wie Montaigne, wieviel Geld er für was auszugeben hatte. Den Deutschen attestiert er die gute Eigenschaft, vom ersten Wort an zu sagen, welche Preise sie verlangen, handeln hätte keinen Zweck. Sein Urteil: 'Sie sind zwar Prahlhänse, Choleriker und Trunkenbolde, aber weder Betrüger noch Spitzbuben.' Michel de Montaigne: Tagebuch der Reise nach Italien über die Schweiz und Deutschland. Übersetzt, herausgegeben und mit einem Essay versehen von Hans Stilett. Eichborn Berlin. 435 Seiten, 29,90 Euro. i Herausgeber Hans Stilett liest aus Montaignes Reisetagebuch am 14. Oktober (20 Uhr) in der Kemptener Stadtbibliothek am 9. Oktober (20 Uhr) in der Gaststätte Goldener Adler, Isny und am 10. Oktober in Lindau (Ort und Zeit noch offen).

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