Kaufbeuren(bbm). - Beinahe tödliche Folgen hatte im November 2002 ein Nachbarschaftsstreit in einem Kaufbeurer Wohnblock: Ein 46-Jähriger erlitt durch Tätlichkeiten zweier junger Männer (25) einen Venenriss im Bauchraum, an dem er laut medizinischem Gutachten ohne Notoperation innerlich verblutet wäre. Der Richter verurteilte die Angeklagten wegen gemeinschaftlicher, gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie jeweils 4000 Euro Geldauflage. Der Staatsanwalt hatte Haftstrafen von je zwei Jahren und vier Monaten gefordert. Dass der Vorsitzende im Urteil noch zu einer Bewährung kam, lag insbesondere daran, dass er die Vorgeschichte des Vorfalls zugunsten der nicht vorbestraften Angeklagten in Rechnung stellte. Die beiden jungen Männer hatten häufige nächtliche Ruhestörungen aus der Nachbarwohnung geschildert, weshalb man immer wieder die Polizei geholt habe. Auch am späten Abend des fraglichen Tages sei es so laut gewesen. Deshalb hätten sie beschlossen, mit der Mieterin der Wohnung zu reden, so die Angeklagten. Dass die vier Personen, die sich damals in der Nachbarwohnung aufhielten, wohl alle alkoholisiert waren - eine Blutprobe beim Opfer ergab einen Wert von über zwei Promille -, davon gingen jetzt sowohl der Richter als auch der Staatsanwalt aus. Auch die Version der Angeklagten vom Auftakt der Auseinandersetzung erschien ihnen glaubhaft. Die jungen Männer hatten erklärt, sie seien an der Wohnungstüre vom Freund der Mieterin mit einem Schraubenzieher angegriffen worden.
Einer der Angeklagten versetzte dem 35-Jährigen daraufhin einen Schlag ins Gesicht. Zum anschließenden eigentlichen Tatgeschehen im Wohnzimmer der Nachbarwohnung gingen die Aussagen weit auseinander: Während der Geschädigte, der seinerzeit als Gast auf dem Sofa saß, und zwei Zeuginnen einen massiven tätlichen Angriff mit Schlägen und Fußtritten schilderten, behaupteten die Angeklagten, es habe nur einen einzigen Schlag gegeben und der habe das Gesicht des Mannes getroffen. Laut Gutachten erlitt der 46-Jährige einen Jochbeinbruch. Als die Polizei kurz nach dem Vorfall in der Wohnung erschien, klagte der 46-Jährige über Bauchschmerzen. Er wurde ins Kaufbeurer Klinikum eingeliefert, wo die Ärzte einen Bluterguss und einen Venenriss im Bauchraum feststellten. Sie nahmen sofort eine Notoperation vor, die dem Mann laut Gutachten das Leben rettete. Ursache der Verletzung sei eine 'stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Bauchraum' gewesen, so der Sachverständige. Er schloss aus, dass die Verletzung von einem Herunterfallen vom Sofa herrühren könnte. Auf Nachfragen der Verteidigung hielt es der Sachverständige zwar theoretisch für möglich, dass der Geschädigte beim Aufstehen vornüber und auf einen Flaschenhals gefallen sein könnte. Diese Variante erschien allerdings weder dem Staatsanwalt noch dem Richter wahrscheinlich. Der Vorsitzende verwies im Urteil darauf, dass sowohl das Opfer als auch die Zeuginnen in ihren polizeilichen Aussagen Schläge und Tritte geschildert hätten. Eine Möglichkeit der Absprache habe nicht bestanden, weil der Mann seinerzeit sofort ins Krankenhaus kam und die Vernehmungen gleich am anderen Tag stattfanden. Würde man nämlich der Version der beiden Angeklagten folgen, bliebe als Verantwortlicher für die Verletzung des Opfers eigentlich nur der 'heilige Geist', stellte der Richter in der Urteilsbegründung fest.