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Lärm-Attacke auf Jugendliche

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Lärm-Attacke auf Jugendliche

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    Lärm-Attacke auf Jugendliche
    Lärm-Attacke auf Jugendliche Foto: Sylvia Rustler

    Ottobeuren l syr l Um herumlungernde, Alkohol trinkende junge Leute zu vertreiben, hat die Verwaltung der Gemeinde Ottobeuren (Unterallgäu) zu einem umstrittenen Mittel gegriffen: Am Rathaus wurde ein Gerät angebracht, das ein derart schrilles Geräusch aussendet, dass Jugendliche Reißaus nehmen (siehe Infokasten). Das Vorgehen hat in der Bevölkerung zu herber Kritik geführt. Laut Bürgermeister Bernd Schäfer war das Problem auf dem Marktplatz mit anderen Mitteln nicht in den Griff zu bekommen. 'Der Marktplatz ist das Aushängeschild der Gemeinde, wo man sozial schwierige Personen nicht haben will.' Nach wenigen Wochen ist das Gerät auf ungeklärte Weise verschwunden. Jetzt soll über eine Videoüberwachung diskutiert werden. In Ottobeuren sorgen trinkende Jugendliche, die Passanten anpöbeln, seit längerem für Unmut. Touristen, die im Gasthof am Marktplatz unterkommen sowie Einwohner klagten laut Schäfer über Lärm und Müll. Außerdem wurde auf dem Platz und im angrenzenden Silachweg mehrfach randaliert. Auch verstärkte Polizeikontrollen haben dem Bürgermeister zufolge zu keiner Lösung geführt. Die Alkohol konsumierenden Personen seien größtenteils volljährig und könnten nicht belangt werden. Der Störgeräuschsender 'hat gut funktioniert', sagt Schäfer. Die ungeliebten Personen unter den Rathaus-Bögen und auf den Bänken an der Bushaltestelle vor dem Gebäude seien weniger geworden. Nach den Worten des Bürgermeisters hat sich das Gerät mittels einer Zeitschaltuhr von abends 21 bis morgens 5 Uhr automatisch eingeschaltet. Zu hören sei der nervende Ton nur 'auf dem ganz begrenzten Platz' vor dem Rathaus gewesen. Ungestört ein Eis schlecken an der benachbarten Eisdiele oder ein gemütliches Essen draußen in einem der Restaurants – angeblich kein Problem. Der kleine graue Kasten sei der Verwaltung als 'unproblematische' Lösung erschienen, so Schäfer. Schließlich mache das Gerät, das für 600, 700 Euro beschafft worden sei, den Aufenthalt 'nur ungemütlich. Es tut ja nicht weh'. In einer Diskothek sei es 'sicher lauter'. Außerdem wurde nach Angaben des Bürgermeisters die rechtliche Zulässigkeit des Geräts geprüft und die Gesundheitsverträglichkeit 'im Internet ordentlich recherchiert'. Im Internet hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) allerdings auch einen Artikel vom 14. Dezember 2007 veröffentlicht, wonach 'eine Schädigung des Hörvermögens nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann'. Gefährdet könnten insbesondere Kleinkinder und Säuglinge sein, die der Beschallung lange ausgesetzt sind, weil ihre Eltern den Ton nicht hören. Außerdem drohten unter anderem Schwindel und Kopfschmerzen. Nachdem der Fall Polizeisprecher Christian Owsinski erst auf Nachfrage unserer Zeitung bekannt wurde, wird eine rechtliche Einstufung erst vorgenommen. Von einer anderen Gemeinde im Allgäu, die das Gerät anwendet, ist Owsinski nichts bekannt.Das Gerät Der als 'Mosquito' bezeichnete Störgeräuschsender ist ein Gerät, mit dem herumlungernde Jugendliche vertrieben werden sollen. Der kleine graue Kasten, der einen unangenehmen Pfeifton von sich gibt und in etwa eine Reichweite von 20 Metern hat, sendet auf einer Frequenz, die vor allem von jungen Leuten unter 25 Jahren wahrgenommen wird. Ältere Menschen hören das schrille Geräusch in der Regel nicht. Denn das Gehör lässt mit dem Alter nach und nimmt derart hohe Töne (im Frequenzbereich um 17 Kilohertz) nicht mehr wahr. Entwickelt wurde das Gerät 2005 von dem britischen Ingenieur Howard Stapleton. Er hatte erzürnt beobachtet, wie Jugendbanden einen Ladeninhaber in der Nachbarschaft terrorisierten. Wie die jungen Störenfriede verjagen, ohne die erwachsenen Kunden zu verschrecken, fragte sich der Erfinder und erinnerte sich an das je nach Alter unterschiedlich feine Gehör. Stapleton hängte schließlich einen Prototyp des Geräts vor dem Geschäft auf und die jungen Leute suchten das Weite. 2006 kam der Störgeräuschsender dann in England auf den Markt. Ordnungsamt und Polizei gaben ihn in vielen Landesteilen zur Anwendung an Bahnhöfen, Einkaufszentren und Parkhäusern frei. Noch im selben Jahr wurde Stapleton für die umstrittene Erfindung im amerikanischen Cambridge parallel zu den Nobelpreisen der 'Ig-Nobel-Preis' verliehen. Dabei handelt es sich um einen Anti-Nobel-Preis für unnütze, skurrile oder unehrenhafte Erfindungen. Seit 2007 wird das Gerät auch in Deutschland verkauft.

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