Von Benjamin Schäling Friesenried - Seine Blütezeit erlebte der Stuck in den Jahren zwischen 1600 und 1780. Die Zeit des Barocks und Rokokos. Stilvolle Häuser, Villen und Kirchen zierten das Land. Diese Ära ist vorüber, die Spuren dieser Epoche sind jedoch noch hier und da zu bewundern. Auch die Zunft der Stuckateure unterlag dem Stilwandel - den Beruf gibt es nur noch selten. Der Friesenrieder Winfried Schindele ist einer der wenigen, der dieses Handwerk beherrscht. 'Die Schmankerl, wie beispielsweise eine schöne Kirche oder ein denkmalgeschütztes Haus, sind im Arbeitsalltag dünn gesät', wie er sagt. Dennoch leuchten seine Augen, wenn er davon spricht. Besonders im Winter sind Arbeiten an Fassaden nicht möglich, es wird ausschließlich in Innenräumen verschönert. Dies liegt vor allem am Arbeitsmaterial der Stuckateure: Winfried Schindele bezeichnet den richtigen Umgang mit dem Gips auch als eine der wichtigsten Fähigkeiten des Stuckateurs. 'Man muss den Gips den äußeren Bedingungen anpassen können', sagt er. Anpassen heißt bei Schindele 'einstellen'. Der Gips wird mit der Hand gefühlvoll in das Wasser eingestreut, bis die Masse die gewünschte Konsistenz hat. 'Das ist so etwas wie die Stuckateurs-Ehre', erklärt der 35-Jährige schmunzelnd. Je nach Witterung wird das Material fester oder weicher 'eingestellt'. Im Winter zieht der Gips weniger schnell an - im Sommer, wenn es heiß ist, wird er umso zügiger hart.
Suche nach neuen Möglichkeiten Zu den Aufgabengebieten des Stuckateurs zählten früher der gesamte Diözesanbereich - er war tätig im Gewölbebau sowie in der Sanierung und Restaurierung in die Jahre gekommener Gebäude. Obwohl diese klassischen Aufträge immer noch existieren, mussten sich die Handwerker auch nach neuen Schaffensmöglichkeiten umsehen. 'Vor allem, weil die öffentlichen Gelder und die der Kirche nicht mehr so reichlich fließen', meint Schindele. Die aktuellen Arbeitsbereiche des Stuckateurs liegen in der Dämmung von Häusern und - besonders für Winfried Schindele - in der Gestaltung von 'Wellness-Bereichen'. Viele Kunden wollten sich in ihrem Bad nicht mehr wie in einer 'Waschküche' fühlen, glaubt Schindele und spricht von 'einer veränderten Wohnkultur'. Auch deshalb findet sich der Friesenrieder immer häufiger in seiner Werkstatt wieder. Hier werden Leisten, Säulen und ähnliche Bauteile vorbereitet, die dann auf der Baustelle montiert werden. In der Mitte der Werkstatt prangt ein großer Tisch mit einer aufmontierten Marmorplatte. Darauf werden die Leisten 'gezogen', wie Schindele erklärt. Dazu wird der Gips gemischt und auf die Platte aufgetragen, um danach mit einer Schablone in Form gebracht zu werden. Neben der Schablone arbeitet der Stuckateur nur mit wenigen anderen Utensilien. 'Das einzig neue Werkzeug, das ich benutze, ist der Akkuschrauber. Ansonsten sind es dieselben wie vor 300 Jahren', berichtet Schindele. Auf der Baustelle kommt es nach Meinung des Stuckateurs darauf an, 'sauber zu arbeiten'. Das bedeutet, vor allem die Gehrungen der akkurat angebrachten Deckenleisten müssen schön verputzt werden. 'Da ist Geduld gefragt', sagt der Fachmann und fügt an, dass diese auch eine Tugend des Stuckateurs sein muss, sonst 'wird man verrückt'. Zu seinem Beruf ist Winfried Schindele durch einen Ferienjob gekommen - in dem Betrieb, in dem er ab 1987 seine dreijährige Lehre absolvierte und anschließend 15 Jahre beschäftigt war, bevor er sich selbstständig machte. Heute ist er Chef eines Vier-Mann-Unternehmens. Für die Zukunft seines Fachs sieht er alles andere als schwarz. 'Es wird auch in Zukunft viele sanierungsbedürftige Denkmäler geben und die Privatkunden werden auch immer wichtiger', meint Schindele. Das Schönste an seinem Beruf ist für ihn allerdings nicht das Geld, sondern die Bestätigung, die er empfindet, wenn er eine fertige Arbeit betrachtet: 'Man sieht, was man geschaffen hat.'