Von Arno Späth, Füssen - Nein, einen Akt der Notwehr des 'Knecht Ruprecht' erkannte der Richter nicht. Deshalb gab er gestern dem wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht stehenden 'Krampus' den freundschaftlichen Rat, seinen Widerspruch zurückzuziehen und den Strafbefehl über 600 Euro zu akzeptieren. 'Knecht Ruprecht' beugte sich dem richterlichen Ratschlag. Beim 'Kloasamarkt' hatte er mit seiner Rute einem 13-Jährigen 'zwei drüberzog'n'. Die Konsequenz aus dem Gerichtstermin zog die Füssener Werbegemeinschaft: 'Einen Kloasamarkt in der bisherigen Form gibt es nicht mehr', sagte Vorsitzender Klaus Keller. Keller und weitere Einzelhändler verfolgten auf den Zuhörerbänken die Verhandlung. Kaum aus dem Sitzungssaal, wurde im Flur des Amtsgerichts im Hohen Schloss hitzig über die gegen 'Knecht Ruprecht' verhängte Strafe diskutiert. 'Einer, der den Kloas tretzt, der will Schläg'', kommentierte eine Füssenerin das Nikolaus-Brauchtum. Sie hielt die Rutenschläge für 'ganz normal'. Werbegemeinschafts-Vorsitzender Klaus Keller versteht nach der 600-Euro-Strafe die Welt nicht mehr. 'Dieses Urteil ist ein Freibrief für die Jugendlichen. Jetzt können sie den Kloas provozieren, ihn mit Eiern und faulen Orangen beschmeißen', reagierte er und zog aus der Verhandlung den Umkehrschluss: 'Wenn der Jugendliche sagt, der Kloas muss damit rechnen, dass er provoziert und mit Eiern beschmissen wird, dann muss auch der Jugendliche damit rechnen, dass der Kloas zurückschlägt und er mit der Rute eine drüber kriegt.' Für die Staatsanwältin und den Richter war der erlassene Strafbefehl in Ordnung. Der angeklagte 'Krampus' war beim vergangenen 'Kloasamarkt' in der Füssener Altstadt von einer Gruppe Jugendlicher mit Eiern, faulen Orangen, Schneebällen und Eisklumpen beworfen worden, wie der 'Krampus' und sein 'heiliger Nikolaus' dem Richter erklärten. Auch einen 'Judafurz' und andere Knallkörper hätten sie dem Bischof unter den Rock geworfen. Als auf dem Weg vom Stadtbrunnen zur Kemptener Straße 'die Werferei immer massiver wurde', so der als Zeuge geladene 'Nikolaus', schwang 'Knecht Ruprecht' seine Rute: Er rannte der Bande nach - und traf den 13-Jährigen im Gesicht.
600 oder 3000 Euro? Für das Gericht war das aber keine Notwehrsituation. Zumal der Bub alleine unterwegs war und nicht zu jener Horde Jugendlicher gehörte, die den Kloas attackierten. 'Der Kloas muss immer damit rechnen, dass er provoziert wird', erklärte der Bub in seiner Zeugenaussage. Keinesfalls wollte er damit zum Ausdruck bringen, dass der 'Kloas' beworfen wird 'mit Eiern oder so'. Die Staatsanwältin und der Richter rechneten dem Angeklagten vor: Hält er an seinem Widerspruch fest und kommt es zu einer Verurteilung, dann muss er mit einer Strafe von 3000 Euro rechnen. Zieht er seinen Widerspruch zurück, dann bleibt's beim Strafbefehl über 600 Euro. Die Antwort des 'Knecht Ruprecht': 'Ich ziehe meinen Widerspruch zurück.' Auch als 'Kloas' kann er sich zurückziehen. Denn den 'Füssener Kloasamarkt', wie er über ein Vierteljahrhundert Jahr für Jahr tausende in die Altstadt lockte, wird die Werbegemeinschaft nicht mehr veranstalten.