In Balderschwang ist vieles überschaubar: In der kleinsten Gemeinde Bayerns befindet sich nicht nur der Geldautomat direkt im Feuerwehrhaus. Auch der Viehscheid, der gestern in dem 265-Einwohner-Dorf im Oberallgäu stattfand, lässt sich gut überblicken. Nicht einmal 400 Rinder wurden dabei laut Scheidmeister Sepp Steurer von fünf umliegenden Alpen ins Tal getrieben - und das zeitversetzt. Denn "so viele Tiere auf einmal können wir auf unserem kleinen Scheidplatz nicht aufnehmen", sagt Günter Klamert, Jugendwart bei der Balderschwanger Feuerwehr, die den Viehscheid organisiert.
Doch gerade diese gemütliche Überschaubarkeit macht den Alpabtreib in dem kleinen Tourismusort zu etwas Großem. "Für uns ist er eins der größten Feste im Jahr. Mit rund 50 Helfern ist fast ein Viertel des Balderschwanger Bevölkerung im Einsatz", so Klamert. Mit den großen Abtrieben in der Umgebung wollen die Balderschwanger nicht konkurrieren. "Die tun uns nichts weg", sagt Klamert. Scheidmeister Steurer pflichtet ihm bei: "Zu uns verschlägt es viele, die jahrelang auf anderen Viehscheiden waren, die ständig gewachsen und diesen Leuten zu groß geworden sind." "Wer zu uns kommt, kommt, weil er den Trubel nicht mag. Für den ist das hier ein Kleinod", weiß Klamert.
Ein Kleinod, von dem auch Christiane Busse in Ulm über ihre Tageszeitung erfahren hat. "Ich wollte einmal im Leben zu einem Viehscheid, weil ich Kühe so gern rieche", erzählt sie. Aber die ältere Frau mag es "eher ruhig", also fiel ihre Wahl auf Balderschwang. Ein Ehepaar aus Österreich teilt ihre Meinung: "Wir waren oft in Oberstaufen beim Viehscheid. Aber da ist uns mittlerweile zu viel Rummel."
Ruhe und Gemütlichkeit - mehr wollen die Balderschwanger ebenfalls nicht. "Der Viehscheid war ursprünglich ja auch nur für die Hirten gedacht", erzählt Klamert. Das ganze Drumherum sei erst mit der Zeit gewachsen. "Und wir sind froh, dass es bei uns noch nicht so groß ist.
" Mehrere tausend Menschen, wie sie etwa beim Viehscheid in Bad Hindelang jedes Jahr dabei sind, könnte die kleine Gemeinde auch gar nicht fassen. Mit 1000 bis 2000 Besuchern wie heuer ist das kleine Dorfzentrum direkt vor Kirche und Feuerwehrhaus bereits gut gefüllt.