Für einen Moment steht Claus Koch mit der Waffe in der Hand da und ist ratlos. Gerade eben hat der stattliche Mann mit seinem Gewehr gezeigt, worauf es bei seinem Sport Jagdparcoursschießen ankommt. Waffe in der Hand, anlegen, zielen, schießen - der ganze Ablauf in Zehntelsekunden. Wie oft er diese Bewegung in seinem Leben schon gemacht hat? "Keine Ahnung. Sehr oft auf jeden Fall", sagt er.
Der 57-Jährige aus Biessenhofen, der in Kaufbeuren ein Waffengeschäft betreibt, beherrscht diese Bewegung beinahe perfekt. Die Liste seiner Erfolge ist lang, sehr lang: Deutscher Meister, Europameister, Vize-Weltmeister, Olympiateilnehmer (im "Skeet") und so weiter. Zuletzt waren Koch und seine Tochter Iris bei der WM im Juni in Italien, im August wurde er deutscher Meister, Iris Vize-Meisterin. Der Sport, in dem Claus Koch so erfolgreich ist, darf in Deutschland getrost als Randsportart betrachtet werden. Das Mekka der Jagdparcoursschützen ist England. Ähnlichkeiten habe der Sport mit dem Tontaubenschießen, könne aber als dessen Königsdisziplin angesehen werden, meint Koch. Denn beim Freiluftsport Jagdparcoursschießen muss man - anders als beim Tontaubenschießen - mit ständig neuen, äußeren Bedingungen umgehen können. Koch umschreibt es so: "Die Ziele, also die kleinen Scheiben, kommen immer mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus unterschiedlichen Richtungen sowie mit wechselnden Flugkurven und Windstärken. Jeder Parcours ist anders, jede Scheibe fliegt anders."
Der Wettkampf läuft so: Der Jagdparcoursschütze steht an seinem Stand und bekommt einmal kurz gezeigt, woher und wie die Scheibe - abgeschossen von einer Wurfmaschine - geflogen kommt. Dann wird es ernst. "Mich fasziniert dieser Sport so", sagt Koch, "weil es auf so viele Dinge ankommt: Gutes Auge, hohe Konzentration, Schnelligkeit." Zu dieser eher seltenen Sportart kam Claus Koch über seinen Vater. Im Jahr 1973 war er bei seiner ersten Jugend-Europameisterschaft. 1976 wurde er dann - im Tontaubenschießen - Sechster bei Olympia. "Jagdparcoursschießen ist aber nicht olympisch, da die Sportler nicht alle die gleichen Bedingungen haben können", erklärt Koch. Um die sportliche Nachfolge muss sich Koch keine Sorgen machen. Tochter Iris ist drauf und dran, die Erfolge ihres Vaters in den Schatten zu stellen.
Noch ist es aber nicht soweit: "Ich wünsche ihr, dass sie mich einholt, denn dann wäre sie eine der Besten weltweit", sagt er und klingt dabei nicht arrogant. Und sie sagt über ihn: "Er macht das alles mit seiner unendlichen Erfahrung und ist ein Phänomen. Ich dagegen nutze den Wettkampf als Training." Denn die Zwei, die inzwischen meist gemeinsam zu Wettkämpfen in ganz Europa fahren, kommen kaum zum Trainieren. "Hier in der Gegend kann man diesen Sport nicht üben. Es gibt fast keine Möglichkeiten", erklärt die 24-Jährige. Dass Sportschützen in Deutschland einen schweren Stand haben, haben die beiden registriert, verstehen können sie es nicht: "Wir haben in Deutschland sehr strenge Gesetze und wir Sportschützen sind im Umgang mit den Waffen überkorrekt und wahnsinnig vorsichtig", sagt Iris angesprochen auf den jüngsten Vorfall in Lörrach, wo eine Sportschützin Amok lief.
"Das sind Einzelne und gleich werden wir wieder alle in diesen Topf geworfen."
Ärger, der bei Iris Koch aber schnell verflogen ist. Sie spricht lieber über die Faszination ihres Sports: "Jagdparcoursschießen ist echte Kopfsache. Man muss sich komplett zurückziehen können. Es ist richtiges Gehirnjogging", meint Iris Koch und lächelt. In Gedanken steht sie vermutlich auf einer Wiese irgendwo in Europa, die Vögel zwitschern, der Wind weht und die Scheiben fliegen. Und sie und ihr Vater warten gespannt, wo und wie sie diesmal angeflogen kommen.