Zehn Jahre lang arbeitete ein Team an der Neufassung des historischen Schatzes - Informationsabend Von Peter Schwarz Oberstdorf. Zerfleddertsind sie und unansehnlich geworden durch häufigen Gebrauch im Lauf der Jahrhunderte. Die verschnörkelten altdeutschen Buchstaben und Zeilen machen jenach Ausprägung ihrer Verfasser und deren Federkiele große Mühen beim Entziffern. Und dann noch die vielen Passagen in Kirchenlatein! Gleichwohl stellen die dickleibigen Kirchenbücher von Oberstdorf - vollständig erhalten seit dem Jahr 1615 - einen unermesslichen Schatz dar, für die Familienforschung und Ahnenerkundung, aber auch für die Heimatgeschichte. In zehnjähriger Arbeit hat ein kleiner Kreis ehrenamtlicher Helfer die handgeschriebenen Personenstandsregister der katholischen Pfarrei St. Johannes Baptist in eine gut lesbare Neufassung gegossen, von der sogar ein vierbändiges Nachschlagewerk für jedermann aufgelegt wird. Als Mitglied im Bayerischen Verein für Familienkunde gab Inge Schölderle 1989 den Anstoß für diese zeitraubende und mühevolle Arbeit. Ein Dutzend Helfer, darunter mit Xaver Frommknecht ein gelernter Lateiner und mit Diedrich Sahlmann ein Computer-Spezialist, fand sich zusammen, um die Oberstdorfer Kirchenbücher mitihren vielen Daten über Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle für die Augen unserer Zeitgenossen zu öffnen. Immer wieder mittwochs traf man sich im Pfarrheim zum Übersetzungswerk der wertvollen Originale. Viele Einträge mussten bis zur letzten Korrektur fünfmal hin und her gewendet werden undgaben überdies mancherlei Rätsel auf. Bis auf einige Restarbeiten (sechs Bände der Neuschrift stehen noch aus) ist nach fast zehnjähriger Kniffelei mit weit mehr als 14000 Arbeitsstunden das Meiste bewältigt. Grund genug, nun an die Öffentlichkeit zu treten. Pfarrer Peter Guggenberger, der nicht nur bereitwillig das Archiv des Kirchensprengels geöffnet hatte, stellt für Donnerstag, 11. November, um 20 Uhr das katholische Johannisheim zu einem Informationsabend zur Verfügung. Ein Einblick in die uralten und kostbaren Matrikeln, wie die Kirchenbücher auch genannt werden, und eine Vertiefung in die Neufassung wird an diesem Abend möglich sein. So wie die Gott sei Dank beim großen Oberstdorfer Brand von 1865 vom Pfarrhaus-Dachboden geretteten Annalen der Oberstdorfer Geschlechter und Sippen sind auch die zusammengetragenen 7500 Seiten Neuschrift-Bände jedoch Unikate und werden nicht aus der Hand gegeben. Abertausende von Namen Dennoch erhaltendie Oberstdorfer Familien, die noch an ihrem Stammbaum zimmern und die Ahnengalerie noch komplettieren müssen, die Chance, das Namensregister mit allden Täuflingen, Kindseltern, Taufpaten, Bräuten und Bräutigamen, Eltern und Schwiegereltern, Trauzeugen und Verstorbenen schwarz auf weiß nach Hause zu tragen. Zum Subkriptionspreis von 120 Mark wird eine vierbändige Kurzfassung (vorerst 200 Exemplare) herausgegeben, die dann aber immer noch 1200 Seiten umfasst und Abertausende von Namen hübsch alphabetisch geordnet auflistet.
Bis zum Informationsabend am 11. November will man bereits die Bestellungen im Pfarramt auf die Reihe gebracht haben, damit die Auslieferung noch vor Weihnachten erfolgen kann. Für Historiker und Heimatkundler ist die Gegenwarts-Bereinigung der 380 Jahre lang brav erfüllten Protokoll-Pflicht ganzer Pfarrer-Generationen ebenfalls von großer Bedeutung. Beschränkten sich doch die geistlichen Hirten des 17., 18. und 19. Jahrhunderts nämlich nicht nur auf Zeitpunkte für Taufen, Heirat und Tod und Namen ihrer anvertrauten Schäfchen. Sondern die Chronisten in der Soutane wussten mitunter auch halbe Romane über die dahingeschiedenen Oberstdorfer zu erzählen - in der Kirchensprache Latein versteht sich. So hielt beispielsweise der priesterliche Archivar unter dem 24. April 1738 im Sterberegister fest, dass ein Jäger Elias Hueber auf dem Nachhauseweg von Schöllang jämmerlich in einem Wasser ertrank und zunächst nur der Wanderstock des bedauernswerten Opfers aufgespürt worden war. Oder da ist von einer unschuldigen Seele namens Maria Füncklin die Rede, die mit 40 Jahren ihr Leben nach Generalbeichte und letzter Ölung ausgehaucht hat. Ein leuchtender Spiegel eines seligen Todes, rief ihr der kommentierende Pfarrer unter dem Datum des 22. März 1741 nach. Viele weitere aufschlussreiche Beispiele vom Leben und Sterben der Altvorderen werden sich in dem zum Druck anstehenden zeitgemäßen Kirchenbücher-Extrakt finden lassen. Denn gerade aufrechter Charakter, fromme Lebensweise, Verdienste und Todesumstände der Pfarrangehörigen wurden in den Eintragungen gebührend gewürdigt. Gleichwohl bedeuteten die vergangenen Jahrhunderte für die Allermeisten der Oberstdorfer ein Leben in Armut, bedroht von Entbehrung und tödlicher Krankheit. Nicht zuletzt findet sich immer wieder in den Registern auch der traurige Vermerk zur Todesnachricht fame periit - starb den Hungertod. Erst 1876 wurde die pflichtgemäße standesamtliche Erfassung der königlich-bayerischen Untertanen von der Wiege bis zur Bahre eingeführt. Umso mehr ist es aus heutiger Sicht von Bedeutung, was im 16. Jahrhundert auf dem Konzil von Trient verbindlich festgelegt worden war: nämlich die Führung von Kirchenbüchern. Freilich dauerte es vom Konzilsbeschluss der Kirchenfürrten bis zur