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Kinderarbeit: Kunden fragen nur selten nach

Marktoberdorf

Kinderarbeit: Kunden fragen nur selten nach

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    Kinderarbeit: Kunden fragen nur selten nach
    Kinderarbeit: Kunden fragen nur selten nach Foto: ffirma rÖssle

    Wer im "Eine-Welt-Laden" an der Meichelbeckstraße im Marktoberdorfer Zentrum einkauft, kann davon ausgehen: Die Ware dort ist nicht nur "fair gehandelt", sondern wurde auch ohne Ausbeutung von Kindern hergestellt. Wie aber gehen andere Geschäfte, aber auch Verwaltungen in der Kreisstadt mit dem Thema Kinderarbeit um? Unsere Zeitung hakte nach und kam zu dem Ergebnis: Die Frage, ob Kinder in armen Ländern das Produkt herstellten, scheint mehr die Geschäftsinhaber als die Kunden zu interessieren.

    Als neulich der "Tag gegen Kinderarbeit" begangen wurde, legten Kinderschutzverbände erschreckende Untersuchungen über die Ausbeutung von Kindern vor. Weltweit sollen 126 Millionen Mädchen und Jungen betroffen sein. Sie müssen in Teppichknüpfereien, Textilfabriken, in Steinbrüchen, in der Landwirtschaft und in vielen anderen Arbeitsstätten oft unter unmenschlichen, gesundheitsschädigenden Bedingungen für ihren Lebenunterhalt und den ihrer Familie sorgen - und werden darüber hinaus nicht selten sexuell missbraucht.

    Aus diesem Grund haben auch der Marktoberdorfer Stadtrat und der Ostallgäuer Kreistag auf Initiative der SPD-Räte Beppo Zeislmeier und Wolfgang Hannig beschlossen, dass bei Ausschreibungen darauf geachtet wird, keine von ausgebeuteten Kindern hergestellte Waren zu kaufen.

    "Mit keinem einzigen Fall", der erkennbar mit Produktion aus Kinderhand zu tun hatte, sei man bisher konfrontiert worden, so Bürgermeister Werner Himmer. Die Stadt komme aber auch kaum mit dem Thema in Berührung. Auch habe sie keine problematischen Werbeartikel: "Wir haben alles von seriösen Lieferanten." Beim Landkreis gab es ebenfalls keinen Fall, dass eine Ware wegen Kinderausbeutung abgelehnt werden musste. Laut Pressereferentin Susanne Kettemer sind alle Stellen des Landkreises über den Kreistagsbeschluss und über eine entsprechende Bekanntmachung der Staatsregierung informiert. Bei Bestellungen achte man auf regionale Wertschöpfung. Zudem verlange die Verwaltung nach und nach Herstellergarantien zum Ausschluss von Kinderarbeit.

    Lieber die Finger davon lassen

    Helga Franz vom Spielwarengeschäft Härtle bevorzugt ebenfalls, wenn möglich, in Deutschland gefertigte Ware; hier sei Kinderarbeit ausgeschlossen. Große internationale Firmen könnten Unbedenklichkeitserklärungen vorlegen. Von Offerten unbekannter Importfirmen oder von billiger Containerware lasse sie lieber die Finger - "da bin ich vorsichtig, auch was die Inhaltsstoffe der Produkte betrifft." Helga Franz: "Qualität steht bei unseren Kunden im Vordergrund." Kinderarbeit sei dagegen kaum Thema.

    Die gleiche Erfahrung macht Wolfgang Hannig in seinem Sportbekleidungsgeschäft: "Bei mir fragen vielleicht fünf Kunden im Jahr danach." Aber wenn - dann kann der Kreis- und Stadtrat Unbedenklichkeitserklärungen der Hersteller oder unabhängiger Institute vorlegen.

    So achte der Händlerring Intersport beim Bezug der Waren nicht nur darauf, dass diese nicht von Kindern, sondern dass diese überhaupt unter menschlichen Bedingungen hergestellt wurden. Hannig ist klar, dass man für fair produzierte Ware mehr hinlegen muss: "Ich kann nicht sagen, ich bin gegen Kinderarbeit, will dann aber nur billige Ware."

    Hubert Rössle, Chef der Rössle Bau- und Natursteine AG, muss in jüngster Zeit öfters Fragen zu Kinderarbeit beantworten. "Das ist neu, wohl weil die Medien dies thematisiert haben." Er will nicht ausschließen, dass er - freilich unwissentlich - von Kindern bearbeitete Steine schon im Angebot hatte. Er hat da Steinbrüche in Indien, wo Kinderarbeit eine große Rolle spiele, unter Verdacht. Die Betriebe habe er nur nach langer Voranmeldung besuchen dürfen.

    Da ihm das verdächtig vorkam und er bei Nachfragen auf Granit stieß, beschloss er: "Diese Ware schmeiße ich aus dem Sortiment."

    Seit zwei Jahren hat er ein eigenes Büro in Vietnam - und kann Kinderarbeit dort ausschließen. Zum einen sei dies dort klar verboten, zum anderen habe Vietnam Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr. Dazu komme als dritte "Sicherheitsstufe" sein dortiger Büromitarbeiter. Er ist sich sicher, dass auch seine Steine aus China, wo er unangemeldet Steinbrüche besichtigen konnte, "sauber" sind. Hubert Rössle: "Kinderarbeit ist etwas, das ich nur verabscheuen kann."

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