Mehr als 6000 Kinder hat er in fast 33 Jahren auf dem Weg zum Erwachsenwerden ärztlich begleitet. Dr. med. Dieter Zahn hat mit Kirsten Mende eine Nachfolgerin gefunden, die er sorgsam ausgesucht hat. Sie war ihm vor zehn Jahren als Assistentin in der Gemeinschaftspraxis positiv aufgefallen.
Zur Ruhe setzen wird sich der fast 66-jährige Kurpfälzer vorerst nicht. Er wird für ein Jahr Kirsten Mende in der Gemeinschaftspraxis und in der Rotkreuzklinik tageweise unterstützen; auch in den Wochenend-Notfalldienst bleibt er eingebunden. "Doch ich bin nicht mehr Chef", sagt Zahn. "Und man soll aufhören, wenns am schönsten ist." Es sei soweit.
Seine Passion für das Bergsteigen und das Segelfliegen führte ihn im Herbst 1977 ins Westallgäu, obwohl die kassenärztliche Vereinigung ihn gewarnt hatte. Das sei "ein Risiko". Gerade das reizte ihn. Die Westallgäuer sind froh, dass der gebürtige Heidelberger hierher gekommen ist.
Die ersten acht Jahre war er fast alleiniger Kinder- und Jugendarzt, der zudem Hausbesuche machte, was ihm von den Einheimischen besonders hoch angerechnet wurde. Das bedeutete: rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr bereit sein. Das geht nur, weil dem Liebhaber klassischer Musik fünf bis sechs Stunden Schlaf reichen.
Seine Patienten sind immer wieder erstaunt über die universelle Ausbildung des Doktors. Neben der allgemeinen Kinderheilkunde hat er sich zeitlebens eingehend mit Psychotherapie, Neurologie, Herzheilkunde und Kinderröntgen beschäftigt. Er kümmert sich nicht nur um Blinddarm, Keuchhusten und Lungenentzündung, sondern spendet auch Trost für die Seele.
"Fernsehen macht dick und unbeweglich, ist schlecht für die Augen, schränkt Kreativität und Fantasie ein". Diesen Merkspruch hat Zahn immer bei sich. Sein Vater, Allgemeinarzt, habe "gerochen, wenn Masern im Haus waren." Das habe ihn ebenfalls zum Arztberuf hingezogen, und "heute rieche ich das auch." Ein guter Arzt, das sei Erfahrung, Gründlichkeit bei der Untersuchung, Zuhören können, Einfühlungsvermögen, ein sechster Sinn und zuallererst: "Einfach da sein". Zahn lebt(e) es vor.
"Ich will das Kind in Augenhöhe haben, damit wir partnerschaftlich miteinander umgehen". Zahn geht schon mal auf die Knie, um die Nähe zu seinen kleinen Patienten zu suchen. "Das steht in keinem Lehrbuch drin", fügt er an. "Das Kind darf mich anfassen; das bringts". Vielleicht wird er wegen dieser Unkompliziertheit von Eltern und Kindern gleichermaßen geschätzt.
Der tägliche Spaziergang mit dem wohlerzogenen Jagdterrier "Ronny" führt meist zu seinem Lieblingsplatz, den drei Eichen auf einer Anhöhe hinter dem Krankenhaus. Bäume ziehen ihn magisch an. Er gibt ihnen Namen. Oskar, Egon und Waldemar heißt zum Beispiel dieses jahrhundertealte Trio.
Seine vielen Pläne, die der Vater dreier erwachsener Kinder für den (Un)Ruhestand hat, will er nicht preisgeben, denn "darüber würden die Leute nur schmunzeln", glaubt er. Weiter sammeln wird er auf jeden Fall deutsche Redewendungen. Elf Kladden sind bereits vollgeschrieben. Und Fotografieren wird seine Leidenschaft bleiben.
Eine Familie schrieb dieser Tage zum Abschied: "Auf ihre Diagnose konnte man immer vertrauen,/ dass sie Tag und Nacht für uns da waren, darauf konnte man bauen." Ein bisschen stolz ist er schon auf solche Zeilen. Am meisten freut ihn, wenn anfängliche Skepsis der Eltern in Vertrauen umschlägt und in aufrichtigen Dank für das geheilte Kind mündet. An solche Fälle erinnert er sich am liebsten.