Die Hiobsbotschaft kommt ohne Vorwarnung, sie erreicht den Allgäu Airport per E-Mail. Der Inhalt bedeutet einen "großen Qualitätsverlust" für den Flughafen Memmingen, wie Geschäftsführer Ralf Schmid unumwunden einräumt. Air Berlin verabschiedet sich endgültig, die Verbindung in die Bundeshauptstadt wird mit Beginn des Winterflugplans gestrichen. Das Unternehmen ist mit den Erlösen nicht zufrieden. "Für Geschäftsreisende und den Tourismus war Berlin sehr wichtig", sagt Schmid.
Rückblende: Im Oktober 2009 zeigt sich ein Vertreter von Air Berlin überzeugt davon, dass man das Engagement in Memmingen "rentabel gestalten" könne. Die Fluggesellschaft hatte kurz zuvor das gesamte Städtegeschäft der Tuifly geschluckt, in Memmingen übernimmt sie die innerdeutschen Verbindungen nach Hamburg, Berlin und Köln. Schon damals aber verbreitet Air Berlin nicht nur gute Nachrichten im Allgäu. Städteverbindungen nach Italien, die zum Tuifly-Programm gehört hatten, werden gestrichen. Vielleicht sei der Memminger Flughafen für Air Berlin nur eine Erblast gewesen, mutmaßt Schmid heute.
Die Freude darüber, die innerdeutschen Flüge gehalten zu haben, währt jedenfalls nicht lange. Heuer im März streicht Air Berlin die Verbindungen nach Hamburg und Köln. In den offiziellen Verlautbarungen versucht der Airport, der Situation noch das Beste abzugewinnen. Er preist die Vorzüge des verbleibenden Ziels Berlin: Der Flughafen Tegel sei ein internationales Drehkreuz mit vielen Umsteigemöglichkeiten. Doch auch das ist bald dahin.
"Es hat rein wirtschaftliche Gründe, dass sich Air Berlin aus dem Allgäu zurückzieht. Wir haben es ein Jahr probiert, aber es lohnt sich nicht", so eine Sprecherin der Fluggesellschaft. Der Rückzug habe nichts mit einer Konzentration auf die Flughäfen München oder Stuttgart zu tun. Schmid führt ins Feld, dass die Auslastung der Flüge diesen Monat bei rund 80 Prozent liege.
Die Airline-Sprecherin bestätigt dies, betont aber, dass die Zahlen außerhalb der Hauptferienzeit deutlich niedriger gewesen seien. Bei der Entscheidung von Air Berlin hat auch eine Rolle gespielt, dass im Allgäu nach 22 Uhr keine planmäßigen Landungen mehr erlaubt sind. Bei Verzögerungen wegen schlechten Wetters müsste die betreffende Maschine nach München ausweichen, heißt es bei der Fluggesellschaft.
Den Abschied von Air Berlin bezeichnet Schmid als "ersten Rückschlag nach drei Jahren Höhenflug". Vergangenes Jahr wurden im Allgäu 812000 Passagiere gezählt. Das Rekordwachstum von über 75 Prozent ging in erster Linie auf das Konto der irischen Billigflug-Linie Ryanair. Mit Verbindungen nach Dublin oder Stockholm sorge die Airline dafür, dass auch weiterhin viele Touristen im Allgäu landen, so Schmid.
Er widerspricht Befürchtungen, wonach sich der Allgäu Airport zu einem Flughafen entwickle, den in erster Linie Einheimische auf dem Weg in den Urlaub nutzen.
Von Memmingen gibt es künftig nur noch eine innerdeutsche Verbindung: Ryanair fliegt nach Bremen. Das soll sich wieder ändern, doch Schmid sagt auch: "Die Rahmenbedingungen für Gespräche mit Airlines sind so schwierig wie nie." Die Ausläufer der Wirtschaftskrise seien immer noch zu spüren, so der Airport-Chef, zudem herrsche Zurückhaltung in der Branche wegen der drohenden Luftverkehrssteuer und die Einnahme-Ausfälle wegen der Aschewolke wirkten noch nach. Schmid zeigt aber Kampfgeist: "Von den Allgäuern ist bekannt, dass sie in einer solchen Situation erst recht in die Hände spucken." Allgäu Airport
- 2006 begannen die Baumaßnahmen zur zivilen Nutzung des ehemaligen Militärflughafens Memmingerberg. Im Jahr 2007 wurde erstmals regelmäßiger Passagierflugbetrieb durch die Gesellschaft Tuifly aufgenommen.
- Bis Ende 2009 hat der Airport insgesamt 22 Millionen Euro in den Ausbau investiert. Davon flossen 6,5 Millionen Euro vom Freistaat.
- In den ersten sieben Monaten dieses Jahres hat sich die Zahl der Fluggäste am Allgäu-Airport nach Angaben der Betreibergesellschaft um 40 Prozent gesteigert auf rund 510.000 Passagiere gesteigert.
- Aktuell werden von Memmingen folgende Ziele angeflogen: Oslo, Stockholm, London Stansted, Dublin, Edinburgh, Bremen, Berlin, Kiew, Antalya, Rhodos, Heraklion (Kreta), Pisa, Neapel, Trapani, Alghero (Sardinien) , Calvi (Korsika), Lourdes, Barcelona-Reus, Barcelona-Girona, Alicante, Málaga, Palma de Mallorca, Faro. Hinzu kommen ab 1. November Porto (Portugal) und Valencia (Spanien).
- Air Berlin verlässt Memmingen zum 1. November, letztes innerdeutsches Ziel ist Bremen .
- Aktive Fluglinien sind: Ryanair, Wizz Air, Tuifly, Sunexpress, Germania, Air Italy, Atlasjet, XL Airways und Sky Airlines, Air Berlin (bis Nov).