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Junges Pärchen schweigt vor Gericht

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Junges Pärchen schweigt vor Gericht

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    Wegen Raubmord angeklagt ­ Täter waren 14 und 16 Von Andrea Kümpfbeck Kempten/Lindau Sie war 14, er 16. Und sie waren daheim ausgerissen, um sich den Bodensee anzusehen. Dann ging dem jungen Pärchen aus Tschechien das Geld aus. Seit gestern müssen sich die heute 15-jährige Schülerin und ihr zwei Jahre älterer Landsmann laut Anklage wegen Mordes an einer 60-jährigen Lindauerin vor der Großen Jugendkammer des Kemptener Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden vor, im März vergangenen Jahres die Frau mit 30 Messerstichen und -schnitten brutal umgebracht zu haben. Auf der Flucht wurden die Jugendlichen im Zug nach München zufällig festgenommen ­ mit 200 Mark Beute und der Scheckkarte der Getöteten in der Tasche. Kurz darauf haben beide die Tat gestanden.

    Die Mütter der beiden Jugendlichen brechen im Zuhörerraum in Tränen aus, als der Staatsanwalt in der Anklageschrift den brutalen Mord an der 60-Jährigen schildert, in deren Ferienwohnung im Lindauer Ortsteil Oberreitnau sich das Pärchen eingemietet hatte. Die beiden, heute 15 und 17 Jahre alt, aus wohlsituierten Familien, sitzen regungslos nebeneinander auf der Anklagebank, starren zu Boden, halten sich die Hände vors Gesicht, sprechen kein Wort miteinander. Der 17-jährige Schüler ­ 'ein recht guter sogar', wie sein Verteidiger, Rechtsanwalt Wilhelm Seitz, sagt ­ könne sich zu der Tat nicht äußern. 'Es geht ihm sehr nahe.' Dazu komme die Sprachbarriere: Er ist im Gegensatz zu der 15-Jährigen, die perfekt Deutsch spricht, auf die Dolmetscherin angewiesen.

    Für die Staatsanwaltschaft ist die Tat klar: Gemeinsamer Mord aus Habgier und Heimtücke, lautet die Anklage. Wegen Schwierigkeiten mit den Eltern ­ 'wie sie alle Jugendlichen in dem Alter haben', so Seitz ­ seien die beiden daheim ausgerissen. Mit 8000 Mark in der Tasche, die der damals 16-Jährige seinem Vater aus dem Tresor gestohlen hatte.

    Mit dem Zug ist das Paar an den Bodensee gereist. Als ihr Geld zur Neige ging, hätten die beiden den Plan gefasst, ihre Vermieterin auszurauben. 'Sie hielten sie für begütert, weil sie zwei Autos hatte', so der Staatsanwalt. Mit einem kleinen Küchenmesser bewaffnet hätten sie die Frau zu Boden gestoßen, ihr mit einem Kissen den Mund zugehalten, sie mit dem Telefonkabel gewürgt. Sie hätten der Frau Tränengas ins Gesicht gesprüht, ihr eine Spritze mit Parfum gesetzt. 'Er hat schließlich gesagt, sie soll der Frau den Hals durchschneiden', so der Staatsanwalt. Als die Klinge des kleinen Messers abbrach, hätten sie ein größeres aus der Küche geholt, 'und haben zugestochen, bis die Frau verblutet war'. Insgesamt 30 Schnitt- und Stich-Verletzungen habe man an der Frau festgestellt.

    Nach dem Mord zum Pizza-Essen

    Anschließend hätten die beiden die Rolländen heruntergelassen, die Tür versperrt und seien mit dem Taxi zum Bahnhof Bregenz gefahren. 'Dort bestellten sie sich erst einmal eine Pizza', so der Staatsanwalt. Im Zug nach München sei das Pärchen bei einer Routinekontrolle der Schleierfahndung überprüft ­ und schließlich festgenommen worden.

    Der Mord an der 60-jährigen Lindauerin hatte bundesweit für großes Aufsehen gesorgt. Entsprechend spektakulär war gestern der Prozess-Auftakt: Taschen wurden durchsucht, Fotografen im gesamten Gerichtsgebäude mit einem Fotografierverbot belegt. Die Öffentlichkeit musste wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten ohnehin vor der Tür bleiben. Lediglich Vertreter deutscher Medien wurden als Zuhörer zugelassen, tschechische Kollegen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ausgeschlossen, 'denn die beiden werden in ihrem Heimatland später wieder leben', so der Vorsitzende Richter.

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